Bachs «Doping-Resolution» ein Eigentor

Rio de Janeiro – Die Überreichung der ersten Medaillen war für Thomas Bach Ehrensache, und auch beim Olympia-Comeback von Rugby schaute der umstrittene IOC-Chef vorbei. Eine willkommene Abwechslung für Bach, doch schon bald holte ihn das Dauer-Thema Doping wieder ein.

Vom Internationalen Sportgerichtshof CAS waren er und seine Kollegen in der IOC-Exekutive bei ihrem fragwürdigen Russland-Beschluss gerade erst zurückgepfiffen worden, da folgte womöglich am Sonntag auch schon die Entscheidung des Internationalen Paralympics Komitee (IPC) zu einem Komplett-Ausschluss der russischen Mannschaft.

Gegen eine solche Maßnahme hatte sich Bach entschieden ausgesprochen, die Kritik an dieser Entscheidung überlagerte auch den Auftakt der Spiele – zumal seine Beschlüsse gegen Wladimir Putins Sportmacht erwartungsgemäß vom CAS wieder einkassiert wurden. So musste das IOC notgedrungen zahlreiche Sportler mit Doping-Vergangenheit wie etwa Julija Jefimowa das Startrecht erteilen. Mindestens 280 russische Athleten dürften am Ende bei Olympia um Medaillen kämpfen.

Und das erste Gold für Russland sprang auch gleich zum Auftakt im Judo heraus. Beslan Mudranow triumphierte, was Putin als früheren Judoka besonders gefreut haben dürfte. «Das wird nicht unsere letzte Medaille gewesen sein», ergänzte Mudranow, was fast wie eine Drohung klang.

Auch der Chef des Nationalen Olympischen Komitees Russlands, Alexander Schukow, konnte seine tiefe Genugtuung nicht verbergen: «Das ist unsere Antwort an all diese Missgünstigen. Die endgültige Antwort werden wir am Ende der Spiele sehen.»

Schwimm-Weltmeisterin Jefimowa wäre in den nächsten Tagen in mehreren Disziplinen eine Kandidatin, um Schukows Prophezeiung wahr zu machen. Nach Informationen der russischen Nachrichtenagentur Tass erteilte das IOC neben Jefimowa vier weiteren dopingverdächtigen Schwimmern grünes Licht.

Offizielle Mitteilungen dazu gibt es kaum mehr, die Athleten tauchen plötzlich auf der Startliste auf, wie Natalia Lowzowa und Daria Ustinowa. Auch der zweimalige Ringer-Weltmeister Viktor Lebedew sei in Rio mit dabei. IOC-Pressechef wollte dies weder dementieren noch bestätigen, er hatte schlichtweg den Überblick verloren. «Das ändert sich ständig über den Tag hinweg.»

Hintergrund ist die CAS-Entscheidung, dass Sportlern auf Grundlage einer früheren Dopingsperre nicht die Teilnahme an den Olympischen Spielen verwehrt werden darf. Damit erhielten Bach und Kollegen die Quittung für ihre wenig durchdachte «Russland-Resolution». Auf einen Komplett-Ausschluss der Russen hatte das IOC verzichtet – trotz der deutlichen Hinweise im Untersuchungsbericht der Welt-Anti-Doping-Agentur auf ein ausgeklügeltes Staatsdoping-System.

Das IOC wollte vielmehr Sportler verbannen, die eine Doping-Vergangenheit aufweisen oder im McLaren-Report erwähnt werden. Am Ende ließen sich beide Aspekte nicht durchdrücken.

Das CAS hatte bereits 2011 die sogenannte Osaka-Regel für nichtig erklärt. Die Regel sah vor, dass Dopingsünder automatisch von den nächsten Olympischen Spielen ausgeschlossen werden – praktisch eine Doppelbestrafung. Und auch bei einigen im McLaren-Bericht genannten Athleten reichte die Beweislage nicht für einen Ausschluss aus.

So hatten die internationalen Verbände und das CAS einen Haufen Arbeit – und die Russen am Ende gut lachen. Wie etwa Jefimowa, für die Doping ohnehin ein Kavaliersdelikt ist. Das sei wie zu schnelles Autofahren. Es gebe einen Strafzettel, dann ist wieder alles gut, hatte sie einmal gesagt.

Alles gut ist tatsächlich aber gar nichts. Die Stimmung ist mitunter vergiftet. «Für einen Athleten wie mich, der sauber ist, ist das total frustrierend», sagte die kanadische Schwimmerin Ryan Cochrane. Zwischen dem australischen 400-Meter-Freistil-Schwimmer Mack Horton und dem für drei Monate wegen Dopings gesperrten Chinesen Sun Yang knisterte es bereits im Training. «Er sagte ‚Hallo‘ zu mir, ich habe nicht geantwortet. Ich habe keine Zeit für Drogen-Gespräche.»

Deutschlands früherer Schwimm-Star Michael Groß kann dies gut verstehen. «Es ist erschütternd, was Menschen und Staaten um des Erfolges Willen tun. Diese Politisierung seitens der Russen – und nichts anderes ist es, wenn man den Geheimdienst losschickt, um Betrug zu kaschieren – macht mich wütend», sagte der dreimalige Olympiasieger in der «Welt am Sonntag».

Russlands Sportminister Witali Mutko ging indes gleich in den Angriffsmodus über und nahm wieder die WADA unter Beschuss, weil die Agentur offenbar alle Proben der russischen Sportler bei den Paralympics 2012 und 2014 erneut testen will. «Mein Eindruck ist, dass die WADA nach der Kritik vom IOC kein anderes Ziel als Russland hat. Sie wollen beweisen, dass sie richtig liegen.»

Fotocredits: Friso Gentsch
(dpa)

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