Biedermann vor finalen Rennen: Möchte Freiheiten genießen

Rio de Janeiro (dpa) – Paul Biedermann darf zum Auftakt der olympischen Schwimm-Wettbewerbe zuschauen. Anders als 2012 verzichtet der Weltrekordler auf die 400 Meter Freistil, um sich ganz auf die halbe Distanz und die Staffel zu konzentrieren.

Seinen 30. Geburtstag wird Biedermann am Sonntag mit Vorlauf und wahrscheinlich dem Halbfinale über 200 Meter Freistil verbringen. Im dpa-Interview spricht Biedermann über seinen möglichen Nachfolger und worauf er sich nach der sportlichen Laufbahn freut.

Sie sind nicht nur als deutscher, sondern auch als internationaler dänischer Meister nach Brasilien gereist. Welche Wikinger-Qualitäten sind denn in Rio gefragt ?

Paul Biedermann: Auf jeden Fall Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, nicht aufzugeben. Das wird da von Vorteil sein.

Ihren 30. Geburtstag feiern sie wieder einmal bei einem internationalen Großereignis. Mit Vorlauf Ortszeit ab 13.30 Uhr und einem möglichen Halbfinale abends um 22.30 Uhr könnten Sie ja wenigstens reinfeiern. Keine Kritik also mehr am Schwimm-Zeitplan?

Biedermann: Die Kritik bleibt, das ist überhaupt nicht ideal. Da sollte man dem olympischen Gedanken, dass es um die Athleten geht, folgen. Aber feiern werde ich eh nicht groß, an diesem Tag haben andere Dinge Priorität.

Wegen der ungewohnten Wettkampfzeiten haben Sie auch im heimischen Halle/Saale auch um Mitternacht trainiert und den anderen Schlaf- und Essensrhythmus simuliert. Mit welchen Erkenntnissen?

Biedermann: Dass ich es gut verkrafte. Man hat zu ungewöhnlichen Zeiten Hunger, das kann man mit fünf statt drei Mahlzeiten und deutlich weniger essen lösen. Ich kam da gut über die Runden.

Die letzten Medaillen über 200 Meter Freistil liegen schon weit zurück, Michael Groß war es 1984 bei seinem Olympiasieg. Ist der Blick in die Historie ein besonderer Anreiz?

Biedermann: Das ist für mich kein Faktor. Das ist schon so lange her, auch wenn ich erst kürzlich nochmal das Rennen von Michael Groß gesehen habe. Wenn man sich die Startblöcke und die Badehosen ansieht, dann sind die Leistungen schon Wahnsinn. Das war beeindruckend und deswegen ist es schwer, sich mit solch historischen Ereignissen zu messen.

Ihr deutscher Nachfolger steht ja auch schon bereit: Florian Vogel, mit dem Sie im Doppelpack schon als Bud Spencer und Terence Hill bezeichnet wurden. Wie profitieren Sie von einander?

Biedermann: Ich profitierte sehr von Florian Vogels Lockerheit, auch vom Typ her ist er das Gegenteil von mir. Das bereichert und es ist einfach witzig. Und er kann bei mir etwa vom Training profitieren, denn ich bringe ja ein paar Jährchen mehr Trainingserfahrung mit und weiß, wenn man Weltspitze sein will, wie man dann zu trainieren hat. Er hat vorher schon gut trainiert, aber das gemeinsame Training hat für uns beide nochmal vorangebracht.

Er hat er auch einen Anteil daran, dass Paul Biedermann auf den letzten Metern der Karriere noch einmal lockerer geworden ist?

Biedermann: Er hat auf jeden Fall Anteil daran, dass ich sehr motiviert im Training bin, mich an mancher Stelle wirklich mehr gequält habe als ich es vorhatte (lacht), weil er mich einfach so gefordert hat. Er hat auf jeden Fall einen Anteil daran, aber auch das ganze Staffelprojekt. Das hat mir den Spaß bei der ganzen Sache und die Motivation erhalten.

Wie geht es für Sie weiter nach dem anvisierten Karriereende in Rio. Urlaub? Weltcup in Berlin als Abschiedsfest? Oder ganz andere Pläne?

Biedermann: Ich habe nicht vor gehabt, in Berlin zu starten. Der letzte Wettkampf wird wirklich bei den Olympischen Spielen sein. Das ist so etwas Schönes, womit man sich auch gut verabschieden kann.

Und wie geht das Leben danach weiter?

Biedermann: Urlaub ist angedacht, aber ich möchte das alles spontan machen, ohne wie in der Sportlerkarriere große Pläne zu machen. Denn alles war immer geplant, da möchte ich jetzt Freiheiten genießen und endlich einmal nicht planen.

Auf was freut man sich eigentlich am meisten für die Zeit nach dem Karriereende: Konzerte, Party, Essen – alles ohne Ende?

Biedermann: Einfach auf die Freiheit. Dass man nicht mehr krampfhaft darauf achten muss, dass man gesund bleibt, dass man sich immer dem Sport anpasst. Dass man einfach ein bisschen mehr das machen kann, worauf man gerade Lust hat. Ich möchte einfach mal die Seele baumeln lassen. Und dann kommt eine neue berufliche Herausforderung.

Was ist schwerer zu erreichen: Eine internationale Medaille oder das Dauer-Projekt Führerschein?

Biedermann

(lacht): Momentan der Führerschein.

ZUR PERSON: Paul Biedermann (29) ist seit Jahren einer der wenigen deutschen Weltklasseschwimmer. 2009 gelangen ihm im Wunderanzug Weltrekorde und der Sieg über US-Star Michael Phelps bei der WM in Rom. Es folgten EM-Titel und WM-Medaillen, nur olympisches Edelmetall fehlt. Nach Olympia wird der Ex-Partner von Britta Steffen seine sportliche Laufbahn beenden.

Fotocredits: Michael Kappeler

(dpa)
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