Brendel denkt an Abschied: Droht Kanuten ein Umbruch?

Rio de Janeiro – Olympia 2020 in Tokio ohne Sebastian Brendel? Das will sich im deutschen Kanu-Lager keiner vorstellen. Und so kündigte Verbandschef Thomas Konietzko nach Brendels überraschenden Rücktrittsandeutungen an, das Gespräch mit dem Canadier-Ass zu suchen.

«Wir werden versuchen, Bastian zu überzeugen. Mit 32 wäre er in Tokio im besten Paddelalter», sagte der Funktionär mit Blick auf die nächsten Sommerspiele 2020 in Japan. Ein möglicher Abschied des Vorzeige-Rennpaddlers «wäre ein sehr großer Verlust», sagte Bundestrainer Reiner Kießler in Rio.

Tatsächlich wäre ein baldiges Karriereende von Brendel ein kaum zu kompensierender Verlust für Deutschlands seit langem erfolgreichsten deutschen Sommersportverband. Der 28-Jährige steht wie kein anderer für den Erfolg, rettete den Paddlern in der jüngeren Vergangenheit bei mäßigen Weltmeisterschaften ein ums andere Mal die Bilanz. «Er ist der perfekte Sportler und Mensch», sagte Konietzko. Dass die Rücktrittsfrage «nicht sofort abschließend beantwortet werden kann nach vier Jahren totaler Entbehrung», sei klar.

Brendel hatte nach seinem zweiten Olympiasieg im Canadier-Einer über 1000 Meter am Dienstag gesagt, erst kommendes Jahr eine Entscheidung über die Zeit danach treffen zu wollen. Zumindest 2017 werde er in jedem Fall noch paddeln. Doch ob er auch 2020 noch am Start ist?

Der Potsdamer würde nicht als einziger deutscher Top-Rennkanute Abschied von Olympia nehmen. Der langjährige Leistungsträger Ronald Rauhe (34) hat bereits bekanntgegeben, dass Rio seine letzten Spiele sind. Dasselbe dürfte altersbedingt für Max Hoff (33) gelten.

Erst im Frühjahr zeigte sich bei den nationalen Ausscheidungen und den Weltcups, dass kaum ein Nachwuchskanute mit den Etablierten mithalten kann. Dennoch gab sich der nach Olympia abtretende Coach Kießler zuversichtlich. «Wir haben schon bei der U23-WM dieses Jahr ordentliche Ergebnisse erzielt, mir ist nicht bange.»

Konietzko machte mittelfristige Personalprobleme aus. «Ich habe keine Bedenken, dass es bis Tokio noch reicht. Für danach brauchen wir aber schon Glück, dass wir Ausnahmetalente wie Sebastian Brendel oder Max Hoff wieder finden», sagte er.

Grund dafür sei das schlechte Standing vieler olympischer Sportarten bei Kindern. Der Präsident des Deutschen Kanu-Verbandes urteilte, dass «Sporttreiben in Deutschland nicht mehr cool» sei. «Die Eltern haben viele Ziele mit ihren Kindern, aber nicht, dass die Kinder mal im Sport erfolgreich sind», sagte er. «Sport hat in der gesellschaftlichen Wertschätzung an Bedeutung verloren.» Resultat sei, dass in vielen Disziplinen die Erfolge deutlich zurückgingen.

«Wir müssen eine Strategie finden, wie wir ähnlich wie in Amerika oder in Frankreich aufzeigen können, dass Sport ein wertvoller Bestandteil der Gesellschaft ist», sagte Konietzko und forderte Reformen in Sport-Deutschland. «Bevor wir versuchen, die Politik zu überzeugen, muss der organisierte Sport seine Hausaufgaben selbst machen. Und da müssen wir besser werden, als wir es bisher sind.»

Fotocredits: Facundo Arrizabalaga
(dpa)

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