Carsharing: Kunde wird zum Lehrmeister der Autokonzerne

München – Daimler und BMW sind beim Carsharing ganz vorne mit dabei – und zahlen Lehrgeld. «Das ist ein Zuschussgeschäft. Geld verdient man damit noch nicht», sagt Autoexperte Stefan Bratzel von der Wirtschaftshochschule in Bergisch-Gladbach.

In den Großstädten wächst die Nachfrage. Aber die Autohersteller müssen sich rüsten für den Kampf mit den großen Fahrdienst-Plattformen wie Uber oder Didi Tuxing. Denn die neuen Angebote mit selbstfahrenden Autos und Robo-Taxis werden vieles auf den Kopf stellen.

Warum soll ein Großstädter für viel Geld ein Auto kaufen, wenn er nur eine Stunde täglich damit fährt und keinen Parkplatz findet? Wie tickt der Kunde? «Wir wollen genau verstehen, wo die Mobilitätsbedürfnisse sind», sagt DriveNow-Geschäftsführer Sebastian Hofelich. Das soll die Carsharing-Tochter von BMW und dem Autovermieter Sixt herausfinden – und «wie man damit Geld verdienen kann».

DriveNow sowie Car2Go von Daimler sind die Marktführer in Deutschland, mit zusammen 1,3 Millionen Kunden und gut 7000 Autos in sieben deutschen Städten. Der typische Kunde ist um die 30 Jahre alt, Student oder Berufseinsteiger ohne eigenes Auto. Er ortet sein Mietauto per Handy, fährt damit zum Einkauf oder abends quer durch die Stadt ins Kino und stellt es dann irgendwo ab. Bequemer, oft auch schneller als mit Bahn und Bus, billiger als mit dem Taxi. Nach einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) ist das eigene Auto erst ab etwa 7500 Kilometern im Jahr günstiger.

«Wir haben verstanden, wie das Thema funktioniert», sagt Hofelich. Der Kunde will zum Beispiel, dass öffentlicher Nahverkehr, Carsharing, Bikesharing vernetzt werden und sich zu seinem Vorteil ergänzen. Die Mietwagen seien täglich etwa vier Stunden ausgelastet, heißt es bei beiden Unternehmen. Car2Go ist nach eigenen Angaben in Berlin profitabel, DriveNow in Deutschland insgesamt – zu den Verlusten im übrigen Europa oder den USA gibt es keine Angaben.

Einnahmen in einer Größenordnung von 20 Euro je Stunde stehen hohe Kosten für Fahrzeuge, Wartung, Versicherung gegenüber. Parkgebühren sind ein weiterer großer Kostenblock. München etwa kassiert 930 Euro pro Jahr und Auto, so Hofelich. Nach dem neuen Gesetz zur Förderung des Carsharings dürfen Kommunen künftig aber reservierte und kostenlose Parkplätze anbieten.

Für BMW und Mercedes ist Carsharing aber auch Werbung: Sie lassen junge Autofahrer ihre neuen Modelle ausprobieren. «Im Prinzip sind das bezahlte Probefahrten», sagt Experte Bratzel. «Die Hersteller kommen in neue Zielgruppen rein.» Carsharing könne Spaß am E-Auto wecken, wie eine «Einstiegsdroge». Der BMW i3 zum Beispiel ist bei den Händlern eher noch Ladenhüter – aber bei DriveNow haben ihn 280 000 Kunden ausprobiert. «Da gibt es eine unglaubliche Neugier», sagt Hofelich.

Doch selbst wenn mancher Kunde später mal einen BMW kaufen sollte: «Marketing ist nicht die Hauptsache», sagt Hofelich. «Die Hauptsache ist zu verstehen, wie man so ein Thema profitabel betreiben kann.»

In Europa und Asien wird Carsharing die Autohersteller im Jahr 2021 unter dem Strich eine halbe Million Autoverkäufe kosten, so schätzt die Unternehmensberatung BCG. Und später kommt dann der große Umbruch mit den autonom fahrenen Autos. «Carsharing ist ein Auslaufmodell, wenn das Robo-Taxi kommt», sagt Bratzel. «Carsahring ist eigentlich ein Taxi zum Selberfahren – ein Zwischenschritt auf dem Weg zum Robo-Taxi.»

Der US-Konzern Uber schreibt zwar rote Zahlen, macht aber mit der Vermittlung von Fahrdiensten Milliardenumsätze und testet Robo-Taxis. Konkurrent Didi Tuxing hat in China schon 300 Millionen Kunden und wickelt täglich 60 Millionen Fahrten ab, nur mit einer Software-Plattform. «Wenn die Autohersteller es nicht schaffen, in dieser Dienstleistungswelt Fuß zu fassen, werden sie zu Zulieferern für die Fahrdienste, die die Plattform kontrollieren», sagt Bratzel. Dieses Szenario fürchten die Hersteller. «Sie müssen es schaffen, die Kunden zu verstehen und Kontakt zu ihnen aufzubauen. Es ist eine völlig neue Welt, die da aufgeht.»

Und Hofelich sagt: «Das Thema wird unglaublich an Fahrt gewinnen.» Um es zu beherrschen, brauche es auch Erfahrung im Flottenmanagment. Das aber fehle Uber, denn jeder Fahrer bringe sein eigenes Fahrzeug mit. «Wir sind beim Flottenmanagment extrem weit.»

Für das Flottenmanagment bei DriveNow ist der Autovermieter Sixt zuständig. Ob Daimler und BMW ihre Carsharing-Töchter demnächst zusammenlegen wollen, vielleicht gleich noch mit Daimlers MyTaxi-Dienst, ist offen. Firmenchef Erich Sixt jedenfalls sieht DriveNow als «ein Juwel».

Fotocredits: Rolf Vennenbernd
(dpa)

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