Darmstadt-Coach Meier: «Bisschen abenteuerlustig sein»

Darmstadt – Norbert Meier ist seit über 35 Jahren im Profifußball aktiv, doch eine so unruhige Vorbereitung wie bei seinem neuen Verein SV Darmstadt 98 hat er noch nicht erlebt.

Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht der 57-Jährige über die neue Herausforderung und verrät, dass er seinen Mittelfeldspieler Peter Niemeyer am liebsten mit einer Piratenfahne sehen möchte.

Seit rund zwei Monaten sind Sie jetzt Trainer in Darmstadt. Haben Sie schon mal eine so unruhige Vorbereitung erlebt?

Norbert Meier: Das ist schon eine besondere Vorbereitung. In den meisten Fällen hatte ich Mannschaften zur Verfügung, bei denen ich punktuell noch etwas verändern musste. Ausnahme war Bielefeld, wo wir nach dem ominösen Spiel gegen Darmstadt in der Relegation 2014 innerhalb von drei Wochen eine neue Mannschaft zusammenstellen mussten. Aber das ist in der Bundesliga schon noch etwas anderes. Da muss man eben auch ein bisschen abenteuerlustig sein.

Die Abgänge wichtiger Spieler wie Sandro Wagner oder Slobodan Rajkovic haben auch Unruhe ins Team gebracht. Gehen Sie davon aus, dass Sie wenigstens mit dem jetzigen Kader weiterarbeiten können?

Meier: Da ist jetzt keiner mehr dabei, der von sich aus gehen will, der ständig an der Trainertür scharrt und um seine Freigabe bittet.

Warum ist es so schwer, passende Spieler für Darmstadt 98 zu finden?

Meier: Sehen Sie sich an, wie schnell der Verein nach oben gekommen ist. Unsere Liga-Konkurrenten spielen nahezu alle bereits jahrelang in der Bundesliga und können daher aus ganz anderen Einnahmen schöpfen. Ein Club muss auch wirtschaftlich wachsen – und so schnell kann dieser Verein gar nicht wachsen. Bei den wirtschaftlichen Anforderungen in der Bundesliga muss man gewisse Anpassungsprozesse durchlaufen. Gehen Sie davon aus, dass wir hier Tag und Nacht sehr fleißig agieren und alles abklopfen, was abzuklopfen geht. Aber da gibt es schon sehr stark ausgeprägte Grenzbereiche.

Ihr Mittelfeldspieler Peter Niemeyer hat vor ein paar Wochen gesagt, dass man mit dem Kader damals gleich die «weiße Flagge» hissen könne. Hat Sie das gestört?

Meier: Grundsätzlich haben wir gern mündige Spieler. Peter hat seine Meinung gesagt, und er ist auch einer, der auf dem Platz immer Vollgas gibt. Ich wünsche mir nun, dass er auf dem Platz als Fahnenträger vorangeht – und zwar nicht mit der weißen Fahne, sondern mit der Piratenfahne. Dann ist uns auch da wieder geholfen. Man sollte ohnehin nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.

Sie gelten bei den Buchmachern als einer der Topkandidaten für die erste Trainer-Entlassung. Lässt Sie das kalt?

Meier: Es ist doch schön, wenn Darmstadt mal oben steht (grinst).

Im Gegensatz zu Dirk Schuster greifen Sie mehr auf Spieler aus dem Ausland zurück. Schuster hat gesagt, er erwartet ein Mindestmaß an Deutschkenntnissen und will keine Dolmetscher in der Kabine. Wie sehen Sie das?

Meier: Fußball ist doch immer multikulti gewesen, damit bin ich groß geworden. Wichtig ist, dass die Spieler schnell Deutsch lernen. Unsere beiden ukrainischen Neuzugänge haben schon die ersten Deutschstunden gehabt. Man muss es den Jungs so einfach wie möglich machen, sie integrieren. Denn man kann nur Leistung bringen, wenn man sich wohl fühlt. Beim Fußball ist es doch egal, ob du weiß, schwarz, gelb oder blau bist – wenn du kicken kannst, bist du drin. Da zählt auch deine soziale Herkunft nicht. In welchem Job gibt es das denn sonst noch in dieser Form? Aber wir haben natürlich auch den deutschen Markt im Blick, wie der Transfer von Sven Schipplock zeigt.

Und Sie hoffen, dass noch weitere Spieler kommen?

Meier: Wir hoffen immer. Aber sich nur auf Hoffen zu verlassen, ist zu wenig. Der eine oder andere wacht vielleicht schon mal um vier Uhr nachts auf und denkt: «Mensch, heute muss aber mal was passieren.» Da müssen wir uns gegenseitig immer wieder pushen und dürfen nicht in Lethargie verfallen. Respekt musst du dir erarbeiten. Mitleid bekommst du geschenkt.

Und wo landen die Lilien am Saisonende?

Meier: Ich will da gar nicht das Wort mit A in den Mund nehmen. Wir wollen so viele Spiele gewinnen, dass wir am Ende drei Mannschaften hinter uns lassen.

ZUR PERSON: Norbert Meier (57) war als Spieler für Werder Bremen und Borussia Mönchengladbach aktiv und bestritt 16 A-Länderspiele. Als Trainer betreute er neben Gladbach den MSV Duisburg, Dynamo Dresden, Fortuna Düsseldorf und Arminia Bielefeld. Seit dieser Saison trainiert er den SV Darmstadt 98.

Fotocredits: Andreas Arnold
(dpa)

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