DOSB-Chef zu Reformen: Können «es nur gemeinsam angehen»

Rio de Janeiro – Kurz vor dem Ende der Olympischen Spiele zieht der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) Bilanz. Mit der Medaillen-Ausbeute in Rio de Janeiro ist DOSB-Chef Alfons Hörmann nicht unzufrieden.

Das schlechte Abschneiden in einigen Sportarten macht ihm allerdings Sorgen, deshalb will der Sportfunktionär grundlegende Strukturen hinterfragen. Auch der internationale Anti-Doping-Kampf hat für ihn weiter Priorität, wie er im Interview der Deutschen Presse-Agentur sagt.

Wie beurteilen Sie das Abschneiden des deutschen Teams?

Alfons Hörmann:Wenn wir es rein auf den Medaillenspiegel projizieren, dann können wir mit dem Ergebnis absolut zufrieden sein. Etwas weniger Medaillen insgesamt, dafür einen hoch erfreulichen Anstieg im goldenen Bereich. Aber das darf uns nicht davon abhalten, dass wir auch die schwierigeren Entwicklungen sehen. Wir haben Verbände wie Schwimmen, Leichtathletik, auch die Radfahrer, die die Ziele klar und deutlich verfehlt haben. Und insgesamt stellen wir fest, dass es leider nicht in der Anzahl gelungen ist, in die Endläufe zu kommen in vielen Sportarten, wie wir uns das im Vorfeld gewünscht haben.

Wie geht es jetzt insbesondere bei diesen Verbänden weiter, die die Ziele klar verfehlt haben?

Hörmann:Man kann es nur gemeinsam angehen. Man muss gemeinsam analysieren, warum stehen wir da, wie sind wir an den Punkt gekommen. Dort, wo keinerlei Medaillen erreicht wurden, beispielsweise im Schwimmen, stellt sich natürlich die Frage, wie schaffen wir es? Zumal das ja nicht das erste Mal der Fall ist, dass die Bilanz eine relativ unerfreuliche ist. In dem Fall müssen wir einfach gemeinsam diskutieren, was muss im Verband passieren, was muss in Stützpunkten geschehen. Wie schaffen wir es, eine Leistungssportkonzeption zu erarbeiten, die Erfolgsperspektiven nach sich zieht.

Erwarten Sie dann in vier Jahren nochmal ein schlechteres Ergebnis, bis die Leistungssportreform tatsächlich greift?

Hörmann:Das wäre heute viel zu weit gegriffen, Prognosen für in vier Jahren. In der Tendenz kann man sagen, wer sich mit Leistungssport beschäftigt, der weiß, dass sich innerhalb weniger Monate oder Jahre zumindest nur an mancher Stelle Dinge ändern können. Vier Jahre sind andererseits durchaus viel Zeit, um strukturelle Veränderungen anzugehen und umzusetzen und auch zur Wirksamkeit zu bringen. Aber wenn man über Reformbedarf und Neuaufstellung diskutiert, dann ist da schon eher der mittelfristige Charakter und da würde ich 2024 und 2028 eher im Vordergrund sehen als die Spiele in Tokio.

Das Thema Russland und Staatsdoping, ist das etwas, was noch weitere Aufarbeitung verlangt?

Hörmann:Insgesamt wird uns die Frage Russland sicherlich noch geraume Zeit beschäftigen. Und nicht nur Russland im Übrigen, sondern auch die Frage, haben wir in allen Sportarten definitiv Chancengleichheit für die Athleten oder wird die eine oder andere Sportart sehr stark von Leistungsmanipulation geprägt. Das widerspricht dem olympischen Gedanken, dem Grundgedanken des Sports im Sinne von Fairplay und ist insofern eine Konstellation, die man auf jeden Fall ernst nehmen muss und die den internationalen Sport nach Rio mindestens so sehr beschäftigen wird wie vor und während.

Haben das IOC und Thomas Bach Schaden genommen?

Hörmann:Der gesamte Sport hat Schaden genommen. Weil damit einfach die berühmte Frage des Generalverdachts immer wieder aufs Neue Nährboden erhält. Und das ist schade für diejenigen, und das ist hoffentlich die klare Mehrheit, die unter den Athleten redlich sauber und mit viel Engagement und Einsatz über Jahre hinweg trainieren, und dann im entscheidenden Moment an ihrem Erfolg gehindert werden.

ZUR PERSON:Alfons Hörmann (55) ist seit Dezember 2013 Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Davor war der frühere Unternehmer acht Jahre lang Chef des Deutschen Skiverbandes. 

Fotocredits: Michael Kappeler
(dpa)

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