Freunde Hambüchen und Zonderland kämpfen um Gold

Rio de Janeiro – Mit seiner stylischen orange-farbenen Sonnenbrille und den kurzen Hosen könnte man ihn im Olympischen Dorf glatt für einen Urlauber halten. Doch hat Fabian Hambüchen in den letzten 46 Sekunden seiner unglaublichen Turn-Karriere noch viel vor.

Den Druck vor dem Reck-Finale am Dienstag spielt er in Rio herunter: «Ich mache mir gar keinen Kopf, ob eine Medaille rauskommt. Ich muss als Erster ran, dann kommen noch sieben andere. Das lässt den Kampfrichtern viel Spielraum.»

Es soll der Höhepunkt einer Karriere werden, die mit fünf Jahren begann, als ihn der Vater zum ersten Mal mit in die Turnhalle nahm. Nun steht Wolfgang Hambüchen mit einer Sondergenehmigung im großen Finale an der Seite seines Sohnes. «Das ist schön und auch irgendwie beruhigend. In Athen war er gar nicht dabei, in London nur als Zuschauer mit dem Wohnmobil. Umso schöner, dass wir beide jetzt einen tollen gemeinsamen Abschluss haben», sagte Fabian Hambüchen.

In der Stunde des Abschieds von den Turnbühnen gehen Hambüchens Gedanken zurück zu den Anfängen. Der Vater als Trainer, der Onkel als Mentalcoach und Mutter Beate, die sich als Organisationstalent um alle medizinischen und schulischen Dinge kümmerte, bilden das Geheimnis seiner Erfolge. Sein «Hambüchen-Clan» – ein solches, ganz eigenes Gelbilde wird es im deutschen Sport so schnell nicht wieder geben.

Insgesamt 26 Medaillen gewann Hambüchen bei internationalen Meisterschaften. «Das Team hat eine Bombenarbeit gemacht. Ich konnte trotz Öffentlichkeit ein normales Leben führen, Starallüren kamen niemals auf. Ich hatte das perfekte Umfeld», würdigte Hambüchen.

Kein Zufall, dass es in Rio wieder zum Duell mit dem großen Rivalen Epke Zonderland aus den Niederlanden kommt. Seit den Junioren-Europameisterschaften 2004 in Slowenien kreuzen sich ständig die Wege der beiden Virtuosen am Königsgerät. In Rio dürfte zwischen ihnen die Entscheidung um Gold fallen. Zonderland, der aufgrund einer Fingerverletzung nur an seinem Spezialgerät antritt, will im Finale noch einen Flieger mehr auspacken und so den Schwierigkeitsgrad seiner Übung auf 7,7 erhöhen.

Hambüchen bleibt bei seiner 7,3-Variante, die ihm in Rio schon zweimal perfekt gelang. In ihren Dauer-Duellen war das immer so. «Wir sind sehr gleich, in vielerlei Hinsicht. Aber der größte Unterschied zwischen uns war: Ich habe mehr riskiert», sagte Zonderland. In London 2012 ging sein Konzept auf: Er gewann Gold vor Hambüchen. Nun will der Wetzlarer beim letzten Hurra den Spieß umdrehen.

«Wir beide standen da oben, im Blitzlichtgewitter. Es war ein unvergesslicher Moment», sagt Hambüchen im Rückblick auf London. Doch zu gern würde er nun seinen Medaillensatz zum Ende der Laufbahn komplettieren. Als unbekümmerter Neuling kam er in Athen ins Finale, in Peking flog er nach großer mentaler Anspannung zu Bronze, London war mit Silber der bisherige Höhepunkt. Die Freundschaft litt nie unter den Duellen, im Gegenteil: Sie war Motivation zu Topleistungen.

«Es sind meine vierten Spiele, es ist mein viertes Reckfinale – phänomenal. Ein Traum, der in Erfüllung geht», meinte der deutsche Vorturner. Zugleich warnt er vor zu hohen Erwartungen: «Der erste Platz im Vorkampf bedeutet im Finale nichts. Es geht bei Null los. Das ist eine schwierige Kiste».

Deshalb will er keine Zaubertricks versuchen. «Ich muss sauber durchkommen und ich muss stehen», sagte Hambüchen. Wehmut wird in beim Gang in die Olympic Arena nicht begleiten: «Ich probiere, jeden Moment zu genießen. Das ganze Verarbeiten kommt erst nach den Spielen. Da denke nicht noch gar nicht dran.»

Mit bisher 26 Medaillen bei internationalen Meisterschaften ist Hambüchen schon vor dem letzten Wettkampf seiner Karriere der erfolgreichste Deutsche der Turn-Geschichte.

Gold Silber Bronze Gesamt
Olympische Spiele 0 1 1 2
WM 1 2 6 9
EM 6 2 3 11
Europaspiele 1 0 0 1
Universiade 1 2 0 3
Gesamt 9 7 10 26

Fotocredits: Bernd Thissen
(dpa)

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