HSV erleichtert über Finale gegen Wolfsburg

Gelsenkirchen – Markus Gisdol war völlig geschafft. Der Trainer des Hamburger SV musste nach der nervenaufreibenden Achterbahnfahrt auf Schalke erstmal tief durchatmen, ehe er einen Einblick in seine Stimmungslage gewähren und die Situation analysieren konnte.

«Es war ein sehr emotionales Spiel. Das vergisst man nicht so schnell», sagte der 46 Jahre alte Coach nach den dramatischen Schlussminuten in Gelsenkirchen. In die mentale Erschöpfung mischte sich dann schnell die Vorfreude auf das Endspiel um den Bundesliga-Verbleib gegen den VfL Wolfsburg: «Jetzt müssen wir durchschnaufen, damit wir am nächsten Samstag den Sack zumachen können.»

Ausgerechnet der bislang glücklose Pierre-Michel Lasogga bescherte den abstiegsbedrohten Hanseaten mit seinem ersten Saisontor die allerletzte Chance: Die Führung des FC Schalke durch Guido Burgstaller (25. Minute) glich Lasogga mit einem Last-Minute-Treffer zum 1:1 (0:1) aus und wahrte damit am vorletzten Spieltag die Chance, im direkten Duell mit Wolfsburg der Relegation diesmal zu entgehen. «Wir haben nächsten Samstag alles in der eigenen Hand. Das ist das Wichtigste», sagte Torwart Christian Mathenia.

Erst in der 85. Minute eingewechselt, bugsierte Lasogga in der zweiten Minute der Nachspielzeit den Ball nach Vorarbeit von Lewis Holtby über die Linie. «Ich bin sehr glücklich. Es tut gut, der Mannschaft so zu helfen. Mir ist eine Last von den Schultern gefallen», sagte der 25-Jährige, der nach vielen Verletzungsproblemen auf der Suche nach der alten Form seinen Stammplatz an Bobby Wood verloren hatte. «Ich hatte kein einfaches Jahr, habe viel zurückgesteckt. Aber bei jedem Einsatz habe ich gespürt, dass die Fans hinter mir stehen. Da wollte ich etwas zurückgeben.» Und er verlor nie den Glauben an die eigene Stärke: «Wenn man immer Gas gibt, kommt der Tag, an dem man belohnt wird.»

Vor dem 34. Spieltag liegt das Bundesliga-Gründungsmitglied mit 35 Zählern weiter auf dem Relegationsrang 16, aber nur zwei Punkte hinter den Teams aus Wolfsburg und Augsburg sowie den praktisch geretteten Mainzern (alle 37). Hamburg braucht im Herzschlagfinale einen Sieg, den Gästen genügt schon ein Remis, um die beiden Playoff-Spiele gegen den Tabellen-Dritten der 2. Liga zu vermeiden.

Welch eine Spannung, welch eine Dramaturgie: Hätte Lasogga nicht getroffen oder der Stuttgarter Referee Markus Schmidt kurz darauf (90.+4) den vermeintlichen Schalker 2:1-Siegtreffer von Sead Kolasinac anerkannt, wäre das Relegations-Triple (nach 2014 und 2015) unvermeidbar gewesen. Doch zur Hamburger Erleichterung hatte das Schiedsrichter-Gespann gesehen, dass der Ball bei der von Johannes Geis getretenen Ecke in der Luft die Torauslinie überschritten hatte. Und nach kurzer Diskussion auch so entschieden. «Ich habe sofort gesehen, dass der Linienrichter die Fahne oben hatte», meinte Gisdol, «aber natürlich war es eine brutal emotionale Szene.»

Auch Heribert Bruchhagen war in der Schrecksekunde, als der Kopfball von Kolasinac im HSV-Tor einschlug, in der Loge das Herz in die Hose gerutscht. Der 68 Jahre alte Vorstandsvorsitzende hat wahrlich viel erlebt in seiner Karriere. Doch das war auch für ihn beinahe zu viel. «Ich kann mich überhaupt nicht an ein Spiel erinnern, in dem ich so ein Wechselbad der Gefühle erlebt habe», sagte Bruchhagen schnaufend.

Nicht nur der Clubchef ist nun voller Hoffnung auf ein Happy End: «Die Dramaturgie ist jetzt gut für uns. Wir haben ganz kurz vor Schluss etwas Unerwartetes geschafft. Der unmittelbare Druck, direkt absteigen zu können, ist nun weg. Das fühlt sich richtig gut an.»

Entwarnung gab aber auch Bruchhagen nicht: «Wir wissen genau, was wir jetzt für eine Woche vor uns haben. Wir haben entweder ein Spiel oder noch drei Spiele. Jetzt müssen wir alles dafür tun, um das Szenario mit einem Sieg gegen Wolfsburg direkt in der Liga zu bleiben, zu erreichen. Das streben wir an, ist doch klar.»

Fotocredits: Ina Fassbender
(dpa)

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