Ikone Biedermann will großen Abschied

Palhoça (dpa) – Bald kann Weltrekordler Paul Biedermann die finalen Tage seiner großen Schwimmkarriere an einer Hand abzählen. Ein letztes Mal schindet sich der 29-Jährige dieser Tage im brasilianischen Palhoça für ein großes Ziel.

Ein letztes Mal wird er zu einem Wettkampf reisen. Ein letztes Mal in anderthalb Wochen im geliebten Mann-gegen-Mann-Kampf um Topzeiten und Medaillen vom Startblock springen. Und dann?

«Ob es eine Olympia-Medaille gibt, davon hängt mein Seelenfrieden nicht ab», sagt Biedermann nach einem langen Countdown auf seine letzten Rennen. Aber nach knapp einem Jahrzehnt in der internationalen Spitze wäre es ein glänzendes Ende seiner Laufbahn, die so richtig mit dem EM-Titel 2008 begann. «Die Vorbereitung läuft bis jetzt ohne Probleme», sagte Biedermann dieser Tage. Alles passt im Rio-Plan, Essens- und Schlafrhythmus hat das Schwimm-As wegen der Rennzeiten bis Mitternacht sowieso schon längst angepasst.

Am Tag seines 30. Geburtstag startet der Doppel-Weltmeister von 2009 sein olympisches Kurzprogramm. Vorläufe und Halbfinale über 200 Meter Freistil, am Folgetag im Idealfall das Finale – und einen Tag später sein letzter Auftritt als Leistungssportler mit der heiß geliebten Staffel. «Gerade diese Staffel liegt mir besonders am Herzen. Das ist für mich einfach eine Traditionsstaffel, ich verbinde damit sehr viel», schwärmte Biedermann. «Ich möchte mit den Jungs so gut wie möglich abzuschneiden.»

Mit der Staffel war der langjährige Partner von Britta Steffen vor vier Jahren beim deutschen Schwimm-Debakel in London so nah wie nie zuvor an einer olympischen Medaille dran. Im Einzel stehen zwei fünfte Plätze in der Ringe-Vita. 2008 war das ein Erfolg, vier Jahre später eine Enttäuschung. «Ich hatte andere Ziele», gestand Biedermann im dpa-Interview. «Ich hatte mir zu viel Druck gemacht, das hat sich am Ende alles gerächt. Es hat vieles nicht funktioniert, wie ich es mir vorgestellt habe. Aber das ist eben auch Sport, dass man Dinge nicht erreicht. Deswegen mache ich mir keine allzugroßen Gedanken. Deswegen bin ich im Reinen.»

So wirkt Biedermann auch nach außen. Für die Zeit nach Olympia und die Karriere nach der Karriere hat er noch keine konkreten Pläne geäußert. «Paul möchte alles dafür tun, diese eine olympische Medaille in sein Sortiment hineinzunehmen», betonte auch Chefbundestrainer Henning Lambertz und berichtete von starken Trainingseindrücken. «Es würde für eine Ikone des deutschen Schwimmsports noch einmal das i-Tüpfelchen bedeuten.»

Biedermann war bei der WM 2009 zu den ganz Großen seiner Sparte aufgestiegen: Zwei WM-Titel feierte er in Weltrekordzeit – und im Hightech-Anzug wurde sogar US-Megastar Michael Phelps mit mehr als einer Sekunde Vorsprung düpiert. Sein langjähriger Heimtrainer Frank Embacher bot seinem «Paul» daraufhin das «Du» an; der Schützling aber blieb beim «Herr Embacher». Bis heute.

Das Verbot des Wundermaterials stellte Biedermann nach 2009 vor besondere Herausforderungen, denn das Muskelpaket profitierte wie kaum ein anderer Spitzenathlet von den Auftriebswirkungen des Anzugs. In Badehose widerlegte er als dreimaliger Bronzemedaillengewinner der WM 2011 manchen Kritiker, die WM 2013 musste er wegen einer Krankheit auslassen. Mit Bronze in WM-Kasan unterstrich Biedermann vor einem Jahr, dass auch bei Olympia mit ihm zu rechnen sein wird.

Als Nummer vier der Welt reist Biedermann nun nach Rio, angeführt wird das Klassement von Chinas Sun Yang. Starts des zweimaligen Olympiasiegers haben oft einen Beigeschmack. Der 1,98-Meter-Riese war schon wegen Dopings gesperrt. Bei der WM 2015 in Kasan verzichtete er unter dubiosen Umständen und dem Verweis auf nie näher deklarierte Herzschmerzen auf seine Paradestrecke 1500 Meter Freistil.

«Da mache ich mir keine Gedanken drum, weil das einfach verschwendete Kraft ist. Ich kann daran sowieso nichts ändern», sagte Biedermann zu den Spekulationen. «Egal ist es mir natürlich nicht. Ich wünsche mir einen dopingfreien Sport und dass alle Athleten sauber an den Start gehen. Aber ich kann nicht beeinflussen, was andere machen.»

Fotocredits: Rainer Jensen

(dpa)
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