Imagewandel der Jogginghose: Auf dem Weg in jede Lebenslage

Berlin – Ist das tatsächlich eine Jogginghose, was Sebastian Kaiser da trägt? Man muss schon ganz genau hinschauen, um sie erkennen zu können.

Eng geschnitten, kariert, modisch – Kaisers Beinkleid könnte aus der Ferne auch als Stoffhose durchgehen. Doch der Münchner schwört auf Jogginghosen – er designt und produziert sie aus besonders hochwertigen Materialien. «Für mich bedeuten Jogginghosen Freiheit und Feierabend», sagt Kaiser.

2012 hat er das Label Boulezar gegründet, bei dem gemütliche Hosen aus Jersey und auch anderen Stoffen im Mittelpunkt stehen. «Mein Ziel war es, die Jogginghose immer weiter zu etablieren. Wir sind mit unseren Schnitten weit weg vom Schlabber- oder Hartz-4-Look», sagt Kaiser. «Wenn sie am Hintern gut geschnitten ist, sieht auch eine Jogginghose gut aus.»

Kaiser verwendet für seine Hosen am liebsten italienisches Jersey, auch Stoffe aus Japan haben es ihm angetan. Das Endprodukt kostet dann schnell mal um die 300 Euro – nicht unbedingt ein Schnäppchen für jedermann. Rund 600 Hosen verkauft er nach eigenen Angaben jährlich. Schauspieler Samuel L. Jackson und Sängerin Madonna haben seine Sweatpants schon getragen.

Die Jogginghose hat ihr schlechtes Image als Kleidung für Faulenzer, Arbeitslose oder Hiphopper Jahr für Jahr etwas mehr abgelegt. Der Durchbruch zur endgültigen gesellschaftlichen Anerkennung scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. «Die Jogginghose ist heutzutage nicht aus unserer Gesellschaft wegzudenken», glaubt Kaiser. «Ich schätze, dass selbst die Queen eine Jogginghose oder zumindest eine gemütliche Haushose hat.»

Der Münchner ist nicht der einzige, der die Jogginghose inzwischen modischer schneidet und hochwertigere Stoffe verwendet. «Was uns gegenwärtig von den Designern als Jogginghose verkauft wird, kann schlecht als Sportswear bezeichnet werden», urteilte erst vor kurzem die «Cosmopolitan». «Mit diesen «neuen Jogginghosen» kann man einen businesstauglichen Look stylen.»

In der Branche setzt sich unter anderem der Begriff Tracksuit-Hose immer weiter durch, quasi die modische Weiterentwicklung der Jogginghose. Die Materialien sind dabei meist ähnlich der bekannten Sweatpants, Farbe und Details aber eher modisch urban, der Schnitt ist oft weit. So wird zum Beispiel oft auf einen engen Bund an den Knöcheln verzichtet.

Für den Stilexperten Bernhard Roetzel macht es allerdings keinen Unterschied, ob eine Jogginghose aus billigen oder teuren Stoffen hergestellt wird. «Jogginghose ist Jogginghose», sagt Roetzel. Die Meinung zu diesem Kleidungsstück habe sich zwar bei vielen Leuten grundlegend verändert. Aber eigentlich sei sie weiterhin eine Sporthose. «Sie heißt ja Sweatpants, weil man da hineinschwitzt.»

Er könne es zwar verstehen, wenn sich Arbeiter nach einem anstrengenden Tag und einer erfrischenden Dusche in einer Jogginghose auf die Couch legen – im Kern aber sei die Jogginghose auch weiterhin «die stilloseste Hose, die es neben der abgeschnittenen Jeans-Hotpants noch gibt».

Roetzel verweist auf die Jeans, die in den vergangenen Jahrzehnten bereits eine ähnliche Entwicklung durchgemacht habe – aus Sicht des Stilexperten manche Grenze aber nie einreißen wird. «Die Jeans wird viel getragen – aber Prince Charles in Jeans? Das wäre immer komisch.» Die Jogginghose nun zu einer «Designerklamotte» zu erklären, helfe da auch nicht weiter.

Dass die Jogginghose dennoch Stück für Stück im alltäglichen Leben angekommen ist, ohne dabei noch allzu übel aufzufallen, scheint beim Blick etwa in eine Berliner U-Bahn schon sicher. Für Gerd Müller-Thomkins, Geschäftsführer des Deutschen Mode-Instituts, liegt das vor allem an einem allgemeinen Paradigmenwechsel zu weiteren Hosen: «Die Hose sucht das Weite.»

In den zurückliegenden Jahren sei die Jogginghose auch aus dem Rahmen gefallen, weil sie etwa mit den zeitweise sehr angesagten, hautengen Skinny Jeans nichts gemein hatte. Inzwischen näherten sich die Formen der Jogginghosen und der Alltagshosen aber wieder an.

Ob auch Sebastian Kaiser weiterhin als Designer Jogginghose unter die Leute bringt, ist noch unklar. Denn Boulezar ist trotz moderner Schnitte und Verkäufen an Promis geschrumpft, von einstmals zehn auf nur noch drei Mitarbeiter. Die Zahlungsmoral im Einzelhandel sei «extrem schlecht», das Label verpasse sich daher eine kreative Pause, sagt Kaiser. An seiner Produktidee will er aber eigentlich festhalten. Denn er ist überzeugt: «Solche Hosen gab es vorher nirgendwo auf der Welt.»

Fotocredits: Lisa Forster
(dpa)

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