Kampfrichterchef: Haben den Denkzettel vom IOC verstanden

Rio de Janeiro – Viele olympische Kampfsportarten haben seit Jahrzehnten einen Makel. Subjektive und teilweise gesteuerte Wertungen ließen immer wieder Korruptionsvorwürfe laut werden.

Antonio Silvestri, Kampfrichterchef des Weltverbandes United World Wrestling, spricht im Interview der Deutschen Presse-Agentur über die Neuausrichtung der Sportart.

Herr Silvestri, sie sind der erste Deutsche in diesem Amt, wie kam es dazu?

Antonio Silvestri: Der serbische UWW-Präsident Nenad Lalovic hat mich vor einem Jahr dazu berufen, nachdem er festgestellt hatte, es muss auch beim Kampfrichterwesen vorwärts gehen.

Ringen stand 2013 vor dem Olympia-Aus. Gerade auch die Kampfrichter strahlten nicht immer einen fairen Charakter aus. War die Aufgabe überhaupt lösbar?

Silvestri: Es war ein langer Weg. Ich hatte nach meiner Wahl zum Vorsitzenden der Kampfrichter nur ein Jahr Zeit. Daher hatte ich erstmal nur ein Konzept bis Rio erarbeitet. Bevor wir nach Rio gekommen sind, haben wir auch sechs bis sieben Kampfrichter sanktioniert. Wir wollten klare Maßnahmen zeigen, dass wir nicht mehr korrupt sind. Das hat funktioniert. Und ich schaue mit Adleraugen weiter.

Was gibt es denn für Maßnahmen?

Silvestri: Wir haben mit Präsident Lalovic rigoros durchgegriffen. Man kann hier in Rio schon sehr gut erkennen, das die jeweiligen Landesverbandspräsidenten oder die offiziellen Bureau-Mitglieder aus den einzelnen Nationen keinen Zugriff auf die Kampfrichter haben. Die befinden sich nun auf der Tribüne. Das war früher nicht so und sehr problematisch, da wurden oft Informationen hin und her geschoben. Auch für die Jurymitglieder ist es jetzt einfacher und angenehmer zu arbeiten. Sie haben Handyverbot und wenn sie in die Halle kommen, werden sie komplett abgeschirmt.

Viele Außenstehende beklagen, dass die Wertungen und die Attraktivität des Ringens eher aus dem Altertum stammen. Wie kann man das abstellen?

Silvestri: Wir müssen die Wertungen konkretisieren und einfacher machen. Hinaustreten ein Punkt, Aktionen, die den Gegner zu Boden bringen, zwei Punkte und Würfe vier Punkte – das versteht jeder. Wir müssen uns von alten Begriffen lösen und auch für die Zuschauer und Medien das Regelwerk einfacher darstellen. Wir müssen nicht mehr über Passivität reden, sondern positiv denken. Die junge Generation versteht nicht, was passiv ist. Besser ist doch, dass der positive, der aktive Ringer belohnt wird.

Zeigen diese ersten Maßnahmen schon Wirkung?

Silvestri: Wir wollen Ringen in Rio perfekt darstellen, die Brutalität und böse Fouls unterbinden. Auch im griechisch-römischen Stil hatten wir jetzt viel mehr Aktionen als früher, die Stilart ist schneller geworden.

Ringen steht ja sicher weiter unter Beobachtung, oder?

Silvestri: Wir haben den Denkzettel vom IOC alle verstanden. Die Sportler und ihre Trainer müssen im Mittelpunkt stehen, sie dürfen uns auch eine schöne Show zeigen. Sie dürfen – anders als früher – auch ihre Emotionen nach dem Kampf auf der Matte auslassen. Das gehört zum Sport dazu.

Was kann man nach Rio erwarten?

Silvestri: «Es wird ein Meeting stattfinden, dann überarbeiten wir das Regelwerk. Außenstehende müssen sich sofort ein Bild über diese Sportart machen können. Nicht, dass es heißt: hier ist es genauso wie vor zehn Jahren.

Zur Person: Der 43-jährige Antonio Silvestri vom TSV Benningen wurde im Vorjahr vom Ringer-Weltverband United World Wrestling (UWW) zum neuen Kampfrichter-Chef berufen. Er ist der erste Deutsche in diesem Amt. Seit seinem 16. Lebensjahr ist er als Kampfrichter aktiv.

Fotocredits: Felix Kästle
(dpa)

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