Keller und die Gefahr des Union-Aufstiegs

Berlin – Nein, Jens Keller muss natürlich nicht um seinen Job fürchten. Dabei hatte der Trainer des 1. FC Union Berlin zum Rückrundenstart die Zufriedenheit der eigenen Fans in der 2. Liga noch mit einem scherzhaften Ausspruch umrissen: 

«Ich glaube, ich bin der erste Trainer, der entlassen wird, wenn er aufsteigt», sagte Keller. Bevor die Köpenicker nun zum Spitzenduell beim VfB Stuttgart in Kellers erster fußballerischer Profi-Heimat antreten, ist die vermeintliche Gefahr des Sprungs in die Bundesliga so groß wie nie zuvor. Auch wegen Keller – und dessen importierten Anspruchsdenkens.

Vor der Partie am Montagabend (20.15 Uhr) beeindrucken nicht nur die reinen Zahlen in Unions bislang bester Saison: Nur zwei Zähler fehlen dem Top-Team der Rückrunde zum Club-Punkterekord aus elf Jahren Zweitliga-Zugehörigkeit. 30 Gegentreffer kassierte das Team bislang, so wenige waren es zu diesem Zeitpunkt der Saison noch nie. Und auch das Selbstbewusstsein ist auf Rekordkurs. «Wir können da Big Points holen», sagt Stürmer Sebastian Polter mit Blick auf das Spiel beim Tabellenführer. «Wir fahren da hin, um zu gewinnen.»

Diese Sieger-Mentalität im ganzen Verein, in dem «die Leute lange mit wenig zufrieden gewesen» (Keller) waren, hatte der Coach in seiner Anfangszeit vermisst. «Es ist quasi als selbstverständlich hingenommen worden, dass man schlecht startet, dass man im Pokal rausfliegt – Sachen, wo ich gesagt habe: „Seid ihr alle wahnsinnig?“», berichtete Keller in einem «11 Freunde»-Interview.

Nun liegt Union bei fünf ausstehenden Spielen auf Relegationsrang drei, hat durch das 3:1 gegen Kaiserslautern auch die zwischenzeitliche Aufstiegsflatter mit drei sieglosen Spielen zunächst überwunden. «Es ist positiver Druck, und wenn man im Leben etwas Großes erreichen will, muss man Druck aushalten können», formuliert Keller die Erwartungen vor dem Auftritt in Stuttgart.

Dort beginnt beim VfB nicht nur seine Zeit als Aktiver, sondern vor neun Jahren auch sein Einstieg ins Trainergeschäft. Über den Weg als A-Jugend-Coach und Assistent des Profi-Teams wird Keller Chef und nach nur zwei Monaten direkt wieder degradiert. Auch beim FC Schalke 04 gelingt ihm der Aufstieg vom Nachwuchs in die Bundesliga. Als bislang letzter Trainer führt Keller die Königsblauen in die Champions League – gleich zweimal nacheinander. Und doch blieben statt der sportlichen Erfolge eher die Bilder eines durch das unruhige Umfeld dunnhäutig wirkenden Trainers im kollektiven Gedächtnis.

Knapp zwei Jahre ist er danach aus dem Tagesgeschäft raus, hospitiert während dieser Zeit bei anderen Vereinen, bildet sich in Sportmanagement an der Universität St. Gallen weiter. Der Gang in die 2. Liga erweist sich im Anschluss nicht als Rückschritt. «In Berlin hat er bewiesen, dass er ein toller Trainer ist, dem man auf Schalke Unrecht getan hat», lobt Düsseldorfs Coach Friedhelm Funkel.

Bei Union wirkt Keller deutlich lockerer als zu früheren Zeiten. Beim Club, der sich gerne als der etwas andere Verein präsentiert, wird seine Arbeit nicht durch Indiskretionen beeinflusst. Und so geht Keller auch mit den Wellenbewegungen im Aufstiegsrennen gelassen um. «Letzte Woche verlieren wir, und da heißt es: Ist es jetzt die Unsicherheit im Aufstiegskampf?», sagte er nach dem Ende der Negativserie. «Wir konzentrieren uns auf Stuttgart, da wollen wir wieder unseren Plan umsetzen.»

Fotocredits: Roland Weihrauch
(dpa)

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