Klinsmann Junior fühlt sich großartig – Aber «zu blauäugig»

Berlin – Nach acht Monaten bei seinem ersten Proficlub steht Jonathan Klinsmann am Scheideweg. Das Torwart-Talent mit dem berühmten Fußballer-Namen hat für Hertha BSC bisher nur ein Pflichtspiel bestritten.

In der Partie am 7. Dezember 2017 trat er in der Europa League gegen Östersunds FK (1:1) nicht nur durch einen gehaltenen Elfmeter stark auf. Ein einziges Mal gehörte er zum Bundesliga-Kader, Spielerfahrung sammelte er nur bei der U23 in der vierten Liga.

Chefcoach Pal Dardai und sein Trainerteam sind mit der Entwicklung des 20-Jährigen noch nicht so recht zufrieden. «Das Können hat er, aber er bringt es nicht jeden Tag auf den Platz. Das vermissen wir im Trainerteam alle von ihm», erklärte Torwartcoach Zsolt Petry.

«Die vergangenen zwei, drei Monate sind nicht so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben. Das seriöse, ernsthafte, fokussierte, deutsche Arbeiten hat ihn noch nicht ganz erreicht, das ist noch zu viel Amerikanisch drin», ergänzte der Ungar, der Klinsmann Junior zumindest eine positive Entwicklung im physischen Bereich bestätigte. «Ich kam vom College. Da ist das hier sportlich eine andere Welt. Der Unterschied ist riesengroß», räumte Jonathan Klinsmann ein.

Doch das genau habe er gewollt: «Es ist großartig hier. Hertha auszuwählen, war die beste Entscheidung», sagte Klinsmann zu seinem Wechsel nach Berlin im vergangenen Sommer. Von Rune Jarstein und Thomas Kraft, die in Herthas Torwart-Hierarchie weit vor ihm liegen, wolle er lernen. Sein langfristiges Ziel sei: «Hier bei Hertha die Nummer eins zu werden.»

Dafür muss der Sohn von Ex-Weltmeister und -Bundestrainer Jürgen Klinsmann allerdings noch sehr viel tun, vor allem in seiner Persönlichkeitsentwicklung. «Er ist noch einen Tick zu naiv, zu blauäugig. Jonathan denkt, dass er mit Können weiterkommt. Aber das Können musst du mit Überzeugung paaren», betonte Torwartcoach Petry. Klinsmann fehle noch Ausstrahlung und Entschlossenheit: «Aber ohne diese Tugenden kommst du nicht durch. Wenn er das hinkriegt, kann er eine Option werden – wenn nicht, wird es schwierig.»

Klinsmann weiß um seine Defizite: «Die Sprachbarriere war vor allem anfangs ein bisschen hart. Ich kann mich nicht so ausdrücken, wie ich es gerne möchte.» Er sei zwar in München geboren, als Vater Jürgen für den FC Bayern spielte, aufgewachsen aber in Kalifornien: «Und in meiner Familie haben wir fast nur Englisch gesprochen.» Inzwischen verstehe er das meiste, geht zur Sprachschule. Für einen Torwart sei die laute Kommunikation unerlässlich, unterstrich Petry: «Er muss es erzwingen, dass er seine Mitspieler coacht.»

Ob Klinsmann, der bei Hertha einen Vertrag bis 2019 besitzt, in der kommenden Saison seine Entwicklung in Berlins Profiteam fortsetzen kann, scheint offen. Mit den derzeit an Drittligaclubs verliehenen Marius Gersbeck (Osnabrück) und Nils Körber (Münster) kehren junge Keeper im Sommer zurück. «Wir werden einen guten Wettbewerb haben, der uns alle besser macht», hofft Klinsmann. Papa Jürgen wird ihn bei seinen Deutschland-Besuchen weiter kräftig unterstützen.

Zumindest seinen berühmten Namen sieht der US-Boy nicht mehr als Last: «Vor dem Wechsel nach Berlin war ich ziemlich nervös, wie groß der Druck in Deutschland sein würde», sagte Jonathan Klinsmann: «Jetzt spüre ich den Druck nicht mehr so.»

Fotocredits: Soeren Stache
(dpa)

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