Locomore will mit nur einem Fernzug die bessere Bahn sein

Frankfurt/Main – Eisenbahn-Fans fühlen sich ein wenig in die 70er Jahre zurückversetzt, wenn sie die orangefarbenen Wagen der Privatbahn Locomore sehen. Nicht ganz zufällig, denn das Start-up hat alte IC-Wagen der Deutschen Bahn aufmöbeln lassen, um dieser ab dem 14. Dezember auf der Fernstrecke Konkurrenz zu machen. Tickets gibt es ab 11. November.

Das neue Angebot der Bahn-Pioniere muss schnell einigermaßen kostendeckend rollen. Mehr als 600 000 Euro haben sie als Startkapital per Crowdfunding im Internet eingesammelt. Rund 500 Plätze hat
Locomore in seinem Zug von Stuttgart nach Berlin und wieder zurück anzubieten, die auf der langen Strecke quer durch Deutschland im Schnitt zwei Mal belegt werden sollten.

«Die Züge müssen mindestens halb voll sein», gibt Locomore-Chef Derek Ladewig als Zielgröße aus – das macht rund 1000 verkaufte Tickets pro Tag. Zum Vergleich: Der DB-Fernverkehr hat täglich über 360 000 Kunden, rund 132 Millionen im Jahr.

Die erste Locomore-Strecke ist durchaus clever gewählt, denn an der Verbindung Stuttgart-Frankfurt-Hannover-Berlin lassen sich Uni-Städte wie Heidelberg, Darmstadt und Göttingen bequem abklappern. Unter den Studenten vermuten die Marketing-Leute preissensible und hochmobile Kunden, die obendrein noch internetaffin sind. Und denen es wenig ausmacht, etwas langsamer als mit dem ICE unterwegs zu sein, wenn sie in verkehrsschwachen Zeiten von Kassel für 13 Euro in drei Stunden nach Berlin fahren können. Das Internet über WLAN werde «mindestens gleich gut» wie bei der DB funktionieren, verspricht die Firma.

Locomore sei eher als Konkurrenz zum Fernbus zu sehen, sagt Detlef Neuß, Präsident des Fahrgastverbands Pro Bahn. Die Deutsche Bahn – Fast-Monopolist auf der Fernstrecke – habe wegen des zunächst noch sehr überschaubaren Angebots der Herausforderer keine ernsthaften Einbrüche zu befürchten. Den zwei täglichen Locomore-Fahrten stehen schließlich rund 1300 im DB-Fernverkehr gegenüber. «Aber ich hoffe, dass ein wenig Schwung in den Laden kommt.»

Locomore will das eigene Unternehmen schlank halten. Neben dem Management sollen nur die Zugbegleiter direkt angestellt werden, weil diese im Service direkten Kundenkontakt haben. Die Züge fahren lassen sie von der schwedischen Hector Rail, die auch die Lokführer stellt.

Die Locomore-Tickets gibt es nur im Netz, am Telefon, in einigen Reisebüros sowie (zum Höchstpreis) direkt im Zug, denn die Deutsche Bahn hat den Vertrieb über ihre Kundenzentren an den Bahnhöfen oder über das Portal bahn.de abgelehnt. «Das hätte man sicher auch anders lösen können», kritisiert Ladewig. Die DB hält dagegen. Dieser Vertriebsweg sei für einen erfolgreichen Markteintritt nicht mehr notwendig, sagt ein Sprecher. In den DB-Fahrplanmedien sollen die neuen Verbindungen aber «diskriminierungsfrei» enthalten sein.

Das orange Preissystem soll deutlich einfacher ausfallen als bei der Bahn. Der Tarif richtet sich nach der Nachfrage, so dass ein Standard-Ticket für die ganze Strecke Stuttgart-Berlin je nach Auslastung und Kaufzeitpunkt zwischen 22 und 65 Euro kosten kann. «Über alle Kanäle gibt es zum gleichen Zeitpunkt nur einen Preis», verspricht Gründer Ladewig. Und der soll immer unterhalb des Bahncard-50-Flexpreises der DB liegen.

Locomore verzichtet zwar offiziell auf eine Klasseneinteilung, bietet aber innerhalb des Business-Tarifs (38-98 Euro/Stuttgart-Berlin) mehr Platz sowie kostenfreie Snacks, Getränke und Zeitungen. Wer nicht arbeiten möchte, kann sich im Zug nach dem Vorbild der sozialen Netzwerke mit Gleichgesinnten zusammenzufinden, um Skat zu spielen oder Englisch zu sprechen. Im Buchungssystem sollen wechselnde Themen angeboten werden. Auch für Ruhesuchende, Familien und Radfahrer gibt es besondere Angebote.

Offiziell gibt man sich beim staatlichen Bahn-Riesen gelassen. Man sei Konkurrenz auf der Schiene schließlich gewohnt, heißt es in der Berliner Zentrale ohne näheren Kommentar. Allerdings fast nur im Regionalverkehr: Bei Fernzügen ist Locomore aktuell erst der zweite private Herausforderer nach dem HKX zwischen Hamburg und Köln. Dieser startete 2007 und wurde bislang nicht erweitert. Privater Fernverkehr ist ein schwieriges Geschäft: Erst vor zwei Jahren gab die Firma Interconnex ihre Linie Warnemünde-Leipzig aus Kostengründen auf.

Der einst auch am HKX beteiligte Verkehrsexperte Ladewig hat für Locomore aber weiter reichende Pläne. Bei der Vergabe der Rahmenfahrpläne im deutschen Bahnnetz hat sich das Unternehmen bis 2020 weitere Trassen gesichert, die München, Köln-Bonn, das Ruhrgebiet und Binz auf Rügen in das kleine Netz einbinden würden. Aber erst einmal muss der Pilotzug Geld einfahren, denn einen duldsamen Investor haben die Bahn-Herausforderer nicht im Rücken.

Fotocredits: York Christoph Riccius,York Christoph Riccius,York Christoph Riccius
(dpa)

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