Mehr Taktik: BVB-Coach Bosz geht eigenen Weg

Bad Ragaz – Peter Bosz kennt keine Gnade. Wieder und wieder strapaziert der neue Coach von Borussia Dortmund im Trainingslager von Bad Ragaz die Geduld seiner Profis.

Mit minutenlangen Monologen unterbricht er die Einheiten und versucht, sein Team auf den von ihm favorisierten Spielstil mit gnadenlosem Pressing und viel eigenem Ballbesitz einzuschwören. Tägliche Videositzungen zum Thema runden seine akribische Arbeit ab. Der Coach setzt dabei auf Zeit: «Wenn alle Spieler meine Philosophie zu diesem frühen Zeitpunkt schon komplett verstanden hätten, könnte ich das nicht verstehen. Nach meinen Erfahrungen ist das so schnell nicht möglich.»

Der missionarische Eifer des Fußball-Lehrers macht Sinn. Nach zwei Jahren unter der Regie von Thomas Tuchel tun sich seine Profis mit der Umstellung noch schwer. In den bisherigen fünf Testspielen gab es nur zwei Siege. Bis zum Supercup-Duell mit dem FC Bayern am kommenden Samstag und dem Ligastart am 19. August in Wolfsburg wird die Zeit knapp. «Es gab in den vergangenen beiden Jahren Automatismen, die müssen sich jetzt erst einmal wieder ändern», kommentierte Kapitän Marcel Schmelzer. «Das ist aber kein großes Hexenwerk.»

Anders als andere Trainer nutzte Bosz die Zeit im Trainingslager nicht in erster Linie dazu, seine Profis in harten Konditionseinheiten zu quälen, sondern sie taktisch zu schulen. Auf entsprechende Fragen reagierte er mit einem Lächeln: «Quälen heißt, dass man die Spieler nicht sehr gut behandelt. Aber ich möchte meine Spieler sehr gut behandeln. Ich versuche, Kondition aufzubauen, ohne dass sie verletzt werden.»

Die Rolle als stiller Beobachter, der sein neues Team in den ersten Wochen erst einmal kennenlernen wollte, hat Bosz in Bad Ragaz abgelegt. Mit fordernder Gestik und deutlichen Worten greift er ins Geschehen ein – sowohl bei den Einheiten als auch bei den Testspielen. Bei aller Vorliebe für den Pressingfußball im für Niederländer typischen 4-3-3-System legt er großen Wert auf die defensive Absicherung der Offensivattacken. «Vollgas mit Verstand», urteilte das Fachmagazin «Kicker».

Zumindest eines hat Bosz in den ersten Tagen seiner Amtszeit bereits geschafft. Im Vergleich zu den Turbulenzen in den letzten Wochen von Tuchel geht es im Verein wieder merklich ruhiger zu.

Das könnte sich bei einem Fehlstart in die Saison jedoch schnell ändern. Schließlich hat der Niederländer beim Revierclub ein schweres Erbe angetreten. Der beim BVB zur Kultfigur aufgestiegene Jürgen Klopp gewann in seiner siebenjährigen Amtszeit insgesamt drei Titel, Tuchel vor seiner Trennung vom Revierclub Ende Mai immerhin den DFB-Pokal. Einen ersten Vorgeschmack auf unliebsame Schlagzeilen bekam Bosz bereits am Montag beim Blick in die Zeitungen. «Hilfeee! BVB-Stars kapieren Bosz nicht», titelte die «Bild» mit Verweis auf die Umstellungsprobleme der Mannschaft.

Dass sich seine Spielphilosophie nicht fundamental von der seiner Vorgänger unterscheidet, könnte Bosz den Einstieg erleichtern. Genau wie sein Sprachtalent. Mit den Angreifen Pierre-Emerick Aubameyang und Ousmane Dembélé spricht er fließend französisch, mit Christian Pulisic englisch. Und auch das Deutsch kommt ihm zunehmend leichter über die Lippen. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist voll des Lobes: «Er ist im persönlichem Umgang sehr verbindlich, aber hart in der Sache. Das ist genau das, was ich mag. Von den persönlichen und fachlichen Einstellungen her müsste das eigentlich gut passen.»

Ähnlich positiv ist das bisherige Feedback aus der Mannschaft. «Er versucht, es uns so einfach wie möglich zu erklären. Es wird für uns Tag für Tag klarer», sagte Torhüter Roman Bürki. Vor allem Neuzugang Maximilian Philipp scheint mächtig beeindruckt: «Der Trainer macht einen sehr guten Eindruck. Er ist sehr nett, sehr höflich. Man merkt, dass er sehr schlau ist.»

Fotocredits: Guido Kirchner
(dpa)

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