Nahtod-Schilderung: eine neue Welle von christlichen Reiseberichten

Zwischen Hirnrinde und Himmel schwanken die Erklärungsversuche über Nahtoderfahrungen vieler Menschen, die heute zunehmend in den Fokus öffentlichen Interesses geraten, hin und her; schwankend zwischen eher hilflosen wissenschaftlichen Vermutungen einiger Neurowissenschaftler und den spirituellen Deutungen, die von kirchlichen Institutionen für ihre Zwecke medial genutzt werden. Schwankend, wie das Boot in den allegorischen Darstellungen, welches die Sterbenden über den Jordan, der die Grenze bildet, in das Land ‚auf der anderen Seite‘ bringt.

Instrumentalisierung der Thematik durch die Christen?

Bekannt ist auch seit langem, dass diese Menschen die von einer Lichtaura umgebenen und von Weisheit und Liebe erfüllten Wesen in jene Bilder einkleiden, die sie im Rahmen ihrer religiösen Erziehung oder Überzeugung verinnerlicht haben. So beschreiben Menschen, die einer christlichen Religion angehören, häufig die Erscheinung der Jungfrau Maria oder des Christus; und sie erleben sich in unmittelbarem wundervollem Kontakt mit diesen Wesen einer hohen Hierarchie, die sich ihnen liebevoll zuwenden. Die Gefühle, welche die Menschen dabei überfluten, übersteigen das ihnen bekannte Maß bei weiten, ebenso die Erfahrung der Unabhängigkeit von Zeit und Raum; so dass sie, wenn sie wieder ins Leben mit seiner Begrenztheit zurückkehren, immer diese neue Perspektive und Dimension beibehalten und nie vergessen. In jüngster Zeit gibt es einen regelrechten Boom, viele Bücher der christlichen Literatur und weitere Publikationen erscheinen zu der Thematik. Das Thema lässt sich dank der zahlreichen Schilderungen paradiesischer Zustände durch viele der zurückgekehrten Berichterstatter natürlich gut für die Public Relation der christlichen Kirchen und ihre Jenseitsgläubigkeit einspannen.

Nahtoderfahrungen – zwischen Hirnrinde und Himmel

Selbst der bekannte Neurochirurg Eben Alexander erfährt durch ein Nahtoderlebnis während einer Zeit im Koma eine grundlegende Wandlung seines Bewusstseins. Eigentlich war er prädestiniert und ausgebildet dafür, nach sogenannten natürlichen Ursachen für die Grenzerfahrungen zwischen Leben und Tod zu suchen. Die etablierte, wenn auch sehr widersprüchliche Hypothese der Neurowissenschaftler deutet die Nahtoderlebnisse als eine Art Restaktivität des Gehirns bzw. der Hirnrinde kurz vor dem endgültigen Tod. Allerdings hat die Intensität, die Genauigkeit und der Erlebnisreichtum der sehr komplexen Nahtoderlebnisse, wobei zum Beispiel das ganze Leben noch einmal im Zeitraffertempo für den Sterbenden abläuft und er den dahinterstehenden Sinn visionär erkennt, schon immer dieser These einer minimalen Restaktivität widersprochen.

Wissenschaft und Glaube – (k)ein Widerspruch?

Der Neurochirurg Eben Alexander zumindest ist nach seiner Rückkehr ins Leben zutiefst von der Existenz eines universalen Bewusstseins und eines Lebens unabhängig von Raum und Zeit überzeugt, an dem die Menschen teilhaben und das er in einem christlichen Sinn deutet. Damit wären dann die reichhaltigen Nahtoderlebnisse gerade auch dadurch ermöglicht, dass das Bewusstsein und die Erlebnisfähigkeit in diesen Momenten nicht mehr an die Gehirnfunktionen und die Organe des Körpers gebunden sind, sondern unabhängig von ihnen zu einer weitaus stärkeren Entfaltung gelangen. Fakt ist, dass sowohl die spirituell-religiöse Dimension als auch die wissenschaftliche Erklärbarkeit irgendwann in Zukunft eine Schnittmenge bilden müssen, wenn Religion die Wahrheit enthalten und Wissenschaft ebenfalls die Wahrheit enthalten soll.

IMG: Phase4Photography – Fotolia

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