Offene T-Frage: Bayern-Bosse unter Handlungsdruck

München – Jetzt sind Uli Hoeneß und Kalle Rummenigge beim wankenden Fußball-Riesen FC Bayern mit den Nöten allein zu Haus.

Gleich 13 Profis sind auf Länderspielreisen gegangen, zurück in München ließen Thomas Müller, Arjen Robben, Robert Lewandowski und Kollegen nach dem ärgerlichen 2:2 bei Hertha BSC einen Berg von Problemen, der den Handlungsdruck auf die Bosse weiter erhöht.

Offene T-Frage, Ribéry-Ausfall, drei Spiele ohne Sieg, der Verlust des bajuwarischen Selbstverständnisses und fünf Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Borussia Dortmund verlangen nach raschen und vor allem überzeugenden Antworten. Für Zeitspiel und Übergangslösungen nach dem Fehlstart in die Post-Ancelotti-Zeit ist beim Dauer-Erfolgs-Anspruch des Rekordchampions kein Platz. Thomas Tuchel, bitte übernehmen?!

Während Experten, Fans und Stammtischrunden munter debattieren, dringt aus der internen Bayern-Trainer-Findungsdiskussion um Rummenigge und Hoeneß kaum Konkretes nach draußen. Von «einigen Optionen» sprach Sportdirektor Hasan Salihamidzic in Berlin, wo die Bayern im ersten Spiel nach der Trennung von Carlo Ancelotti die nächste 2:0-Führung vergeigten und nach Torwart Manuel Neuer (Mittelfußbruch) in Franck Ribéry (Außenbandriss im linken Knie) den nächsten Leistungsträger womöglich bis ins neue Jahr verloren. Hart fiel das Urteil aus, das Interimstrainer Willy Sagnol fällte. «Ohne Konzentration sind wir nicht mehr die stärkste Mannschaft in Deutschland, das ist klar.»

Die Soforthilfe des Franzosen griff nicht, obwohl der Chef auf Zeit alles aufbot, was den höchsten Promi-Status im Bayern-Kader hat und zuvor von Ancelotti teilweise beim 0:3 in der Champions League bei Paris Saint-Germain verschmäht worden war. «Wir liefern nicht das ab, was von uns erwartet wird», kommentierte Kapitän Thomas Müller selbstkritisch. «Es war einfach zu wenig von uns nach einem 2:0», urteilte auch dessen Nationalmannschafts-Kollege Joshua Kimmich.

In der größten Krise seit Jahren sind nun Vorstandschef Rummenigge und Präsident Hoeneß am Zug. Die Alphatiere müssen allen voran eine Einheit bilden und eine gemeinschaftliche Trainerlösung finden. Der FC Bayern ist ein Fußball-Unternehmen, das kein Vakuum und auch keine Zwischenlösungen auf dieser zentralen Position verträgt. Warten auf einen Hochbegabten wie Julian Nagelsmann? Eigentlich unmöglich in einem Club, der Siege und Titel wie die Luft zum Atmen braucht; auch um den mit Abstand teuersten Kader in Deutschland zu finanzieren.

Bayern-Kenner Sagnol ordnete seinen Kandidatenstatus in Berlin realistisch ein. «Die Frage ist nicht, ob ich die Hoffnung oder den Wunsch habe, das weiterzumachen. Die Frage ist mehr, was der Vorstand will. Entscheidung und Tempo gehören zum Vorstand, nicht zu mir.»

Aus dem Notstand heraus könnte sich wie in Deutschland nach der Bundestagswahl mit einem möglichen Jamaika-Bündnis eine spannende bayerische Fußball-Koalition bilden: Hoeneß, Rummenigge, Tuchel!

Auch die Bayern-Profis werden aus der Ferne gespannt nach München blicken, wo Tuchel – fachlich Champions League, menschlich schwierig – ohnehin schon wohnt. Der 44 Jahre alte Ex-BVB-Coach hat zuletzt in New York viel über sein Leben nachgedacht, wie dem «Zeitmagazin Mann» zu entnehmen war. Der FC Bayern wäre auch für Tuchel eine große Chance – und Tuchel keineswegs nur ein Risiko für den FC Bayern.

Der Auftritt der hochdekorierten Münchner Profis in Berlin hat gezeigt, dass ein Toptrainer her muss, der die Stars straff führt und auf dem Trainingsplatz und in den Spielen taktisch anleitet. «Es hat Spuren hinterlassen, das hat man gemerkt», sagte Weltmeister Mats Hummels zu all den Turbulenzen. Nach der anstehenden Länderspielwoche soll die sportliche Wende eingeleitet werden. «Dann können wir in einer normalen Trainingswoche an Dingen arbeiten, ganz egal, wer dann der Verantwortliche sein wird», erklärte Hummels. Dann könne man «auch spielerische und strukturelle Ergebnisse sehen».

Resultate, die wird der neue Trainer, ob Tuchel oder ein anderer, sofort liefern müssen. Nach der Länderspielpause stehen sieben Spiele in 21 Tagen an, darunter zwei gegen Leipzig (Pokal und Liga), zwei für das Weiterkommen in der Champions League wichtige gegen Celtic Glasgow und ganz zum Schluss das Bundesliga-Tospiel beim Titelrivalen Borussia Dortmund. Vorher aber müssen Rummenigge und Hoeneß handeln.

Fotocredits: Annegret Hilse
(dpa)

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