Russland stürzt in Medaillenbilanz ab

Rio de Janeiro – Soviel Zeit musste sein. Präsident Wladimir Putin gratulierte jedem russischen Medaillengewinner auf altmodische Art per Telegramm. Ein wenig Aufbauhilfe aus der Heimat konnte nicht schaden.

Schließlich hatten die russischen Athleten bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro einen schweren Stand. Von den Zuschauern wurden sie oftmals ausgepfiffen, von den Gegnern mit Missachtung gestraft. Das Team Russia erhielt die Quittung für die schweren Anschuldigungen wegen des systematischen Staatsdopings und stürzte mit verkleinertem Kader hinter dem großen Rivalen USA ab.

«Was den Medaillenspiegel anbelangt, war Russland der große Verlierer und das sicher zu Recht», sagte Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), mit ein wenig Genugtuung. Ohne die ausgeschlossenen Leichtathleten und Gewichtheber blieb Russland mit seinen 285 Sportlern zwar vor Deutschland auf Rang vier, war jedoch weit von den 79 Medaillen von London entfernt.

Die Fronten sind verhärtet. Daran hat Thomas Bach nichts ändern können. Womöglich hat der IOC-Präsident mit seiner Entscheidung, keinen Komplett-Bann auszusprechen, dazu noch mehr beigetragen. Und Entspannung in der hochbrisanten Causa ist auch für die Zukunft kaum zu erwarten. Das Internationalen Paralympics Komitee (IPC) hat die Sbornaja von den Spielen der Menschen mit Behinderung ausgeschlossen, der russische Einspruch vor dem Internationalen Sportgerichtshof wird am Montag verhandelt.

Anti-Doping-Agenturen fordern indes weitere Ermittlungen und Strafen für Russland. «Wir haben die Winterspiele schon in anderthalb Jahren, und auch hier muss gesagt werden: Russland hat von staatlicher Seite aus das Anti-Doping-System unterlaufen und betrogen», sagte die deutsche NADA-Chefin Andrea Gotzmann.

In Moskau ist indes von Einsicht keine Spur. Beleidigt und empört reagiert Russland auf solche Forderungen. Sportminister Witali Mutko droht damit, die Zahlungen an die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) einzustellen. Und Stabhochsprung-Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa ließ bereits durchblicken, welche Rolle sie zukünftig in der IOC-Athletenkommission spielen wird. «Russland wurde ungerecht behandelt und ich werde alles tun, um so eine Situation in Zukunft zu verhindern. Mit mir wird es so etwas nicht geben, und es darf sich nicht wiederholen», sagte die 34-Jährige.

So beklagt Michael Vesper, Deutschlands Chef de Mission, fehlende Demut und Selbsterkenntnis bei den Russen. Daran haben auch nachträgliche Disqualifikationen von drei russischen Sportlern bei den Spielen in Peking 2008 nichts geändert. Als Folge hatte das IOC in den vergangenen Tagen der 4×100-Meter- sowie der 4×400-Meter-Staffel der russischen Frauen Gold und Silber aberkannt. Auch der vierte Platz von Zehnkämpfer Alexander Pogorelow wurde gelöscht. Zudem muss Kugelstoßerin Jewgenia Kolodko ihr Olympia-Silber von London 2012 nachträglich wegen eines Dopingvergehens abgeben.

Zumindest in der Leichtathletik wird es von den Medaillen-Resulaten in Rio in den nächsten Jahren keine Begradigungen wegen russischer Dopingfälle geben, nur Darja Klischina war startberechtigt. Die schöne Weitspringerin, die ihren Ausschluss vor dem CAS abgewendet hatte, wurde aber nur Neunte. Andere Kolleginnen wie Julija Jefimowa machten es besser, auch wenn der Verdacht mitschwamm. Bei ihren Silbermedaillen über 100 und 200 Meter Brust wurde die frühere Dopingsünderin aber mit Pfiffen und Buhrufen bestraft.

In Moskau richten sich indes die Augen schon auf die nächsten Sportprojekte. Schon im nächsten Jahr wird in Russland der Confederations Cup mit Weltmeister Deutschland stattfinden. Das Acht-Nationen-Turnier gilt als Testlauf für die WM 2018. Wie gut, dass die FIFA in Sachen Doping nicht so hartnäckig ist. Und die letzten Auftritte der russischen Fußballer waren auch alles andere als dopingverdächtig.

Fotocredits: Lukas Schulze
(dpa)

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