Salihamidzic: Profil gewinnen in Heynckes‘ Windschatten

München – Die Schonfrist von 100 Tagen hätte sich Hasan Salihamidzic im neuen Amt auch gewünscht. Aber in der kurzen Zeitspanne seit der überraschenden Präsentation des Ex-Profis als Sportdirektor des FC Bayern München am 31. Juli überschlugen sich beim deutschen Serienmeister die Ereignisse:

Ein holpriger Saisonstart, nörgelnde Stars, ein frühzeitiger Trainerwechsel und Vorurteile über die Eignung des Neuen als Nachfolger von Matthias Sammer erschwerten Salihamidzic die Einarbeitung in eine Position, deren öffentliche Wahrnehmung in München sehr groß ist.

Als Glücksfall – gerade auch für den Sportchef-Novizen – könnte sich Jupp Heynckes erweisen. Die Rückkehr des Triple-Trainers von 2013, der die Bayern als Nachfolger von Carlo Ancelotti mit sieben Siegen am Stück wieder auf Erfolgskurs brachte, eröffnet Salihamidzic die Chance, im Windschatten von Heynckes Profil zu gewinnen. Denn der 40-Jährige, der heute seit 100 Tagen Sportdirektor ist, ist aktuell nicht mehr permanent als Krisenmanager gefragt; eine Rolle, in der er auch mangels Erfahrung keine gute Figur abgab.

Salihamidzic erschwerte sich den Start mit ungeschickten Auftritten. Der Champions-League-Sieger von 2001 musste schnell erkennen, dass er als Sportdirektor nicht mit Sprechblasen wie zu Spielerzeiten durchkommt. «Brazzo», das Bürschchen, muss den Verein jetzt seriös in Hemd und Sacko repräsentieren. Das gilt auch für schwierige Momente, wie am Tag nach der Trennung von Ancelotti, als er vor die Medien treten musste. Der Sportchef redete viel, ohne viel sagen zu können.

Uli Hoeneß sagte voraus, dass Salihamidzic die weitere Einarbeitung unter Heynckes viel leichter fallen werde. Der Sportdirektor stimmt bereits zu. «Es macht wirklich Spaß, mit Jupp zusammenzuarbeiten. Ich kann mich auf meine Sachen konzentrieren, die mein Bereich sind.»

Die Zuständigkeit reicht über den öffentlichkeitswirksamen Part beim Profiteam weit hinaus. Salihamidzic soll dabei das Bindeglied zwischen Trainer und Mannschaft sowie Profiabteilung und Verein sein. In der Länderspielpause muss überraschend die Position des Teamarztes neu besetzt werden. Dazu kommen das Scouting und die Jugendakademie. «Ich habe jetzt eine große Verantwortung», sagte der Sportdirektor.

Zu Heynckes kann der langjährige Bayern-Profi jenen Draht aufbauen, den es zu Ancelotti nicht gab. Der 72-Jährige ähnelt als Trainer Ottmar Hitzfeld (68), der Salihamidzic beim FC Bayern als Profi maßgeblich prägte. «Jupp Heynckes hat ganz klare Vorstellungen von Disziplin, Einsatz, Mannschaftsdienlichkeit. Da bin ich sehr froh, weil ich auch einen großen Wert darauf lege», sagte Salihamidzic.

Heynckes wirbt für den Sportchef-Azubi. «Die Zusammenarbeit ist überragend. Das muss ich ganz ehrlich gestehen. Er nimmt mir auch Arbeit ab», sagte Heynckes nach vier gemeinsamen Wochen: «Jeder braucht in einer neuen Position Zeit, um sich einzuarbeiten, um die ganzen Abläufe und den Club vom Innenleben kennenzulernen. Das ist nicht ganz so einfach. Ich denke, dass er ein gutes Standing in der Gruppe hat und bei Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß sowieso.»

Die Bosse zauberten Salihamidzic vor 100 Tagen als Lösung aus dem Hut, nachdem sie festgestellt hatten, dass sie das Vakuum nach dem Rückzug von Sportvorstand Sammer im Sommer 2016 füllen mussten. Eine prominentere Stellenbesetzung mit Ex-Kapitän Philipp Lahm oder dem Gladbacher Manager Max Eberl war zuvor gescheitert.

Mit «totalem Vertrauen» und «allen Vollmachten» statteten die Bosse Salihamidzic aus – und mit einem Vertrag bis 2020. Drei Monate davon sind um, ein Urteil über Salihamidzic käme verfrüht. Sportlich läuft es wieder, Salihamidzic kann damit mehr im Hintergrund wirken.

Erst Profi und dann Sportchef in ein und demselben Verein, das ist kein Novum in der Bundesliga; siehe Rudi Völler (Leverkusen), Michael Zorc (Borussia Dortmund) oder Max Eberl (Gladbach). «Notlösung? Ich fühle mich überhaupt nicht so», sagte Hasan Salihamidzic am 31. Juli bei seiner Vorstellung. Er wird weiter Überzeugungsarbeit leisten müssen, damit in Zukunft viele so denken wie er von Anfang an.

Fotocredits: Peter Kneffel
(dpa)

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