Seilbahn-Boom in den Städten

La Paz – Sanft gleitet die Seilbahngondel über die Dächer von Ecatepec. In der Tiefe chaotisches Gassengewirr, die ärmlichen Häuser klammern sich an die Hänge.

Die Stadt mit 1,6 Millionen Einwohnern vor den Toren von Mexiko-Stadt ist einer der gefährlichsten Orte des Landes, 417 Menschen wurden 2016 dort getötet. Seit einem Jahr verbindet
«Mexicable» als erste urbane Seilbahn Mexikos die Viertel von Ecatepec.

Über sieben Stationen und eine Strecke von knapp fünf Kilometern fahren die Gondeln bis tief hinein in die Armenviertel in den Bergen. Die Fahrt bis zur Endstation dauert 17 Minuten. Mit dem Sammeltaxi oder dem Kleinbus braucht man bis zu eine Stunde. Federführend beteiligt war einer der großen Seilbahnanbieter,
Leitner aus Südtirol. «Seilschwebebahnenhaben haben einen geringen Platzbedarf, können in der Luft jedes Hindernis überqueren und sind daher auch zeitsparend», betont das Unternehmen.

Die neue Seilbahn soll nicht nur das Leben erleichtern, sondern könnte auch helfen, die Kriminalität zu senken – ähnliche Erfahrungen gab es zum Beispiel im kolumbianischen Medellín, der Pionierstadt in Lateinamerika, wo 2004 die erste größere Stadtseilbahn in Betrieb ging, um dort die Armenviertel besser an das Zentrum anzubinden.

Die Verkehrserschließung bisher sich weitgehend selbst überlassener Stadtgebiete bringt in der Regel mehr Sicherheit, so gibt es mehr Beleuchtung. In Boliviens Metropole
La Paz ist laut Berichten rund um die Stationen des heute größten urbanen Seilbahnnetzes der Welt die Kriminalität zurückgegangen. «Südamerika ist gerade der Hotspot für urbane Seilbahnen», berichtet der Sprecher des Weltmarktführers Doppelmayr, Ekkehard Assmann. Nach Branchenangaben gibt es aber auch Planungen für mehr Seilbahnen in Afrika, für Lagos in Nigeria und Mombasa in Kenia zum Beispiel. In Asien bei den dortigen Megastädten ist hingegen das begrenzte Transportvolumen der Seilbahnen ein Manko.

Von «Subways in the sky» schreibt der «Economist». In Lateinamerika fördert die Topographie in vielen Städten mit Talkesseln und Hügeln die Nachfrage, gerade um die gewaltigen Staus in Stoßzeiten zu mindern. U-Bahnen sind sehr teuer und der Bau dauert viele Jahre.

Boliviens Staatspräsident Evo Morales hat im September in La Paz bereits die fünfte Linie des «Teleférico» eröffnet – Doppelmayr mit Sitz in Wolfurt/Österreich baut die Bahnen, es sollen mindestens zehn mit 30 Kilometer Länge werden. Zwar bleibt das wichtigste Segment der Winter und Mitteleuropa – doch in Zeiten des Klimawandels kommt der urbane Seilbahnboom gerade recht.

Nirgendwo sonst gibt es ein Netz wie in La Paz, dort können rund 125 000 Passagiere pro Tag transportiert werden, im Dezember wird der insgesamt 100-Millionste Fahrgast erwartet. Der Fahrpreis beträgt 35 Cent – als eines der ganz wenigen öffentlichen Verkehrsmittel weltweit könnte sich die Seilbahn wegen der enormen Nachfrage laut Branchenkennern in rund 15 Jahren amortisiert haben und ohne Subventionen auskommen.

Statt stundenlang im Stau zu stehen, können Arbeitnehmer viel Zeit sparen – und bei der Fahrt von der Stadt El Alto runter in den Talkessel von La Paz die herrliche Aussicht auf die schneebedeckten Andenberge genießen. Und man schützt das Klima: Da 70 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen in Städten anfallen, gelten solche «Himmel-Metros» auch als ein Baustein für die notwendige Reduzierung der städtischen Treibhausgasemissionen.

«Fast jede Stadt in Südamerika ab 200 000, 300 000 Einwohner ist schon mit einer entsprechenden Seilbahnanfrage auf uns zugekommen», sagt Assmann. Doppelmayr hat auch vier Bahnen in Venezuela gebaut, eine in Kolumbien, eine in Brasilien und eine in Mexiko. Leitner hat zum Beispiel die 3,5 Kilometer lange Seilbahn in Rio de Janeiro gebaut, die die Riesenfavela Complexo do Alemão an eine Metrostation angebunden hat und 3000 Passagiere in der Stunde transportieren kann. Aber wegen Geldproblemen der Stadt stand die Bahn zuletzt oft still.

In Ecatepec hat die Seilbahn «Mexicable» rund 1,7 Milliarden Pesos (76,3 Mio Euro) gekostet. In den 185 Gondeln finden jeweils bis zu zehn Passagiere Platz. Pro Tag kann die Seilbahn bis zu 24 000 Menschen transportieren. Nach Angaben der Regierung des Bundesstaats México werden durch den Betrieb pro Jahr 10 000 Tonnen CO2-Ausstoß vermieden. «Ich komme jetzt viel schneller zur Arbeit. Und es ist auch bequemer. Die Busse sind immer total überfüllt», sagt die Passagierin Nancy Romero. Sieben Pesos (30 Cent) kostet die Fahrt.

Netter Nebeneffekt: Straßenkünstler haben entlang der Strecke viele Wandgemälde geschaffen. Bei der Fahrt können Passagiere nun zum Beispiel ein riesiges Porträt der Malerin Frida Kahlo bestaunen.

Fotocredits: Georg Ismar
(dpa)

(dpa)
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