Straßenküchen sollen in Bangkok verboten werden

Bangkok – Noch ist es einer dieser fast perfekten Abende. Zugegeben, die Plastikstühlchen sind ein wenig zu klein für europäische Gliedmaßen. Aber sonst: die Luft in Bangkok noch warm, die Straße belebt und das Essen nicht nur äußerst lecker, sondern extrem günstig dazu.

Es gibt Som Tam, Thailands typischen Salat aus grünen Papayas, dazu gegrillten Fisch und schließlich noch Klebreis mit frischen Mangos. Das alles für 200 Baht, umgerechnet etwas mehr als fünf Euro.

Doch wenn es nach den Oberen von Thailands Hauptstadt geht, ist es mit solchen Abenden bald vorbei. Bis Ende dieses Jahres, so hat die Bangkok Metropolitan Administration (BMA) gerade erst verkündet, sollen die Straßenküchen komplett verschwinden – angeblich der Ordnung und der Hygiene wegen. Bleibt es dabei, wäre das für die 8,5-Millionen-Einwohner-Metropole ein ziemlicher Verlust.

Aktuell, so genau weiß das keiner, gibt es etwa eine halbe Million solcher Stände mit Streetfood. Die meisten bestehen nur aus einer rollenden Küche mit Propangaskocher, verbeulten Alutischen und ein paar schäbigen Plastikstühlen. Fleisch, Fisch und Gemüse liegen in einer Glasvitrine: gegrillte Hühnerbeine zum Beispiel, Krabbenküchlein oder auch Insekten, wenn man mag. Manchmal gibt es eine englische Speisekarte, aber eigentlich muss man nur auf die gewünschte Speise deuten.

Das Fast Food asiatischer Version gehört hier zum Leben dazu. «Bangkok lernst Du nur übers Essen kennen», sagt Chawadee Nualkhair, die den besten Führer über die Straßenküchen geschrieben hat. Viele Leute haben aufgegeben, selber zu kochen. In den Garküchen sitzen Besserverdiener, Fahrer von Motorradtaxis und Touristen einträchtig zusammen. Wer keine Zeit hat, lässt sich das Essen in Plastiktüten füllen und nimmt es mit nach Hause.

Eben erst hat der Fernsehsender CNN Bangkok wieder zur Stadt mit der «besten Straßenküche der Welt» gekürt. Trotzdem will die Stadtverwaltung den Garküchen nun ein Ende setzen. «Wir wollen die Bürgersteige den Fußgängern zurückgeben», verkündete der zuständige Top-Beamte Wanlop Suwandee. In allen 50 Bezirken hätten Sicherheit und Sauberkeit künftig oberste Priorität. «Es wird keine Ausnahmen geben. Jeder Straßenhändler muss weg.»

Das passt zur «Aufräum»-Kampagne, mit der die seit 2014 herrschende Militärregierung das Land säubern will – nicht nur von gefälschten Handtaschen oder DVDs, sondern auch von Dingen wie Korruption und billigem Sex. Auf den ersten Straßen gilt das Verbot seit dieser Woche bereits: In Thonglor und Ekkamai, zwei beliebten Ausgehvierteln, wurden die Straßenküchen schon für illegal erklärt.

Manche Stände sind schon weg, aber einige versuchen trotz der Verbotsschilder weiter ihr Glück. Der Straßenkoch Pongrat Satitmantana (52) meint: «Wenn Streetfood verboten wird, bricht unsere Wirtschaft zusammen. Es geht nicht nur um uns. Das gehört alles zusammen.» Die Köchin Kanapat Janthorn, ein paar Ecken weiter, erzählt: «Ich mache das seit 25 Jahren. Ich habe keine Ahnung, wo ich künftig hin soll.»

Als nächstes wollen sich Bangkoks Beamte das Chinesenviertel vornehmen sowie die Khao San Road, seit Jahrzehnten ein beliebtes Ziel von Rucksacktouristen aus aller Welt. Allein in der Backpacker-Straße, verewigt auch im Thailand-Klassiker «The Beach», gibt es mehr als 200 Straßenküchen. Der Vorsitzende des lokalen Händlerverbands, Piyabutr Jiuramonaikul, appelliert deshalb an die Behörden, ihr Verbot zu überdenken. «Unser Viertel ist einzigartig auf der ganzen Welt.»

Die Hoffnung ruht nun darauf, dass es die Polizei mit der Umsetzung ihrer Pläne nicht so ernst nehmen wird: Meist findet sich hier ja doch noch irgendein Weg. Allerdings gibt es auch in Bangkok schon Gegenden, in denen Straßenküchen Geschichte sind. Wo vier Jahrzehnte lang einer der beliebtesten Streetfood-Märkte war, an der Soi Sukhumvit 38, steht nun ein Hochhaus mit teuren Büro- und Wohneinheiten. Den Begriff Gentrifizierung kennt man auch hier.

Straßenküchen-Expertin Nualkhair sagt zu den Plänen der Behörden: «Bangkok verliert damit an Charme.» Die Idee hinter dem Verbot sei, «eine künstliche Stadt daraus zu machen, eine Art Singapur». Was schade für die vielen Millionen Touristen wäre, vor allem aber für Bangkoks Normalverdiener, die sich teureres Essen nicht leisten könnten. «Die werden damit zu einer Diät gezwungen – aus Instant-Nudeln, Mayonnaise-Brötchen und Würstchen dubioser Herkunft.»

Fotocredits: Stev Bonhage,Christoph Sator,Diego Azubel
(dpa)

(dpa)
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