Wankender BVB vor radikalem Umbau

Dortmund – Eine andere Struktur, ein grundsanierter Kader und wohl auch ein neuer Trainer – Borussia Dortmund steht vor dem größten Umbruch der vergangenen Jahre.

Spätestens nach dem blamablen 0:6 (0:5) im einstigen Liga-Gipfel beim FC Bayern verspüren alle Beteiligten großen Handlungsbedarf. Aus Angst, die Stellung als zweite Kraft im deutschen Fußball dauerhaft zu verlieren, reifen vielbeachtete Pläne. «Wir haben beschlossen, dass wir uns neu ausrichten wollen», kündigte Sportdirektor Michael Zorc im ZDF an.

Wie nötig umfassende Veränderungen sind, machte der unwürdige Auftritt in München deutlich. Der Serienmeister ist dem einstigen Erzrivalen weit enteilt, war der BVB nicht mal mehr ein würdiger Sparringspartner. Zorc machte aus seinem Frust keinen Hehl: «Die Grundtugenden des Fußballs sind uns komplett abhanden gekommen.» Bayerns Weltmeister Thomas Müller empfand nach der höchsten Dortmunder Niederlage seit 27 Jahren gar Mitleid: «Es tut einem auch ein bisschen weh, dass die Verunsicherung so zu spüren war.»

Wirklich überraschend kam der Einbruch jedoch nicht. Schließlich hatte die Borussia in dieser Saison bereits mehrfach bedenkliche Schwächen gezeigt. Nicht zuletzt deshalb leitete die Vereinsführung bereits nach dem peinlichen Aus in der Europa League gegen Salzburg erste Schritte ein.

«Jetzt wir durchgelüftet», kommentierte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Karsamstag in der «Funke Mediengruppe» die künftige Zusammenarbeit mit Matthias Sammer, der beim BVB als externer Berater «die Fenster aufmachen» soll. Ähnlich wie Watzke hofft auch Zorc auf positive Effekte: «Sammers ungeschminkte Analyse wird uns guttun.»

Sammer behält seinen Wohnsitz in München und arbeitet weiter als Eurosport-Experte. «Es wird eine größere Sitzung alle zwei Wochen geben, wo man sich austauschen kann», sagte der frühere DFB-Sportdirektor: «Ich werde keine Entscheidungen treffen. Ich bin nicht operativ tätig, bin nicht der entscheidende Mann. Ich werde versuchen, das eine oder andere in die richtige Richtung zu bringen.»

Nicht nur bei der geplanten Renovierung des Kaders, sondern auch bei der Entscheidung über die wohl wichtigste Personalie im Club ist die Expertise von Sammer gefragt. «Natürlich sprechen wir auch über die Trainerfrage», bestätigte Zorc einen ersten Austausch mit dem einstigen BVB-Profi und -Trainer.

Darüber hinaus dürfte auch der Rat von Sebastian Kehl gefragt sein. «Er wird uns mit seiner Professionalität und mit seiner hohen Identifikation mit dem BVB gut zu Gesicht stehen», befand Zorc. Die Gespräche mit dem langjährigen BVB-Kapitän über eine Zusammenarbeit stehen kurz vor dem Abschluss. Kehl, der derzeit als Experte für das ZDF tätig ist, soll als Leiter der Lizenzspielermannschaft zu einer Trendwende beitragen.

Dass Peter Stöger auch in der kommenden Saison auf der Trainerbank der Borussia sitzt, erscheint nach der 0:6-Blamage höchst unwahrscheinlich. Obwohl Watzke den Österreicher vor dem Anpfiff noch als «ersten Ansprechpartner» bezeichnet hatte, scheinen dessen Tage in Dortmund gezählt. «Gestärkt haben wird das meine Position nicht», bekannte Stöger im Anschluss an das Spiel freimütig, »mein Leben definiert sich nicht darüber, dass ich beim BVB an der Seitenlinie stehe.»

Uneigennützig gewann Stöger der Schlappe sogar positive Seiten ab: «Für die längerfristige Entwicklung ist es vielleicht gar nicht einmal so negativ, weil man noch mal ein bisschen genauer hinschaut, wo man ansetzen kann», erklärte er. «Man muss schauen, welche Rädchen man drehen muss. Das sind meiner Meinung nach nicht nur Rädchen, sondern ein paar Räder.»

Als Alternativen gelten Lucien Favre (Nizza), Ralph Hasenhüttl (Leipzig) oder Niko Kovac (Frankfurt). Entsprechende Medienspekulationen wollte Zorc nicht kommentieren: «Wir werden in den nächsten Wochen eine Entscheidung in der Trainerfrage haben. Aber erst, wenn wir überzeugt sind, die richtige Entscheidung für die nächsten Jahre getroffen zu haben.»

Fotocredits: Andreas Gebert
(dpa)

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