WM-Gastgeber Russland bei Türkei-Test torlos

Antalya – Kein Tor und kaum Spannung: Russlands neuer Nationaltrainer Stanislaw Tschertschessow hätte beim torlosen Kick in der Türkei von seinem Team gern etwas «Killerinstinkt» gesehen. Doch dem Start der Sbornaja in die Vorbereitung auf die WM 2018 war die politische Tragweite anzumerken.

Der frühere Torwart von Dynamo Dresden (1993 bis 1995) leitet nach der EM-Pleite der Sbornaja den Neuaufbau der Mannschaft in Richtung Weltmeisterschaft im eigenen Land. Mit dem 0:0 war der Coach bei seinem Debüt insgesamt zufrieden. «Was mir aber fehlte, war der Killerinstinkt der Mannschaft», sagte Tschertschessow. «Wir haben genug Spieler, die treffen können.»

Roman Neustädter strahlte trotzdem. Hell leuchtete das frisch blondierte Haar des Ex-Bundesligaprofis in den Katakomben der Antalya Arena. «Ich wollte mal schauen, wie das aussieht. Ich bin 28, mit 30 macht man sowas nicht mehr», sagte der «Neu-Russe».

Allerdings wirkten beide Teams vor rund 30 000 Zuschauern über weite Strecken so, als hätten die Trainer ihnen eingeschärft: gewinnen streng verboten! Denn die Begegnung auf seifigem Untergrund hatte vor allem politische Symbolkraft. Erst vor wenigen Wochen hatten die Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin die schweren Differenzen beider Länder ausgeräumt, nachdem die türkische Luftwaffe Ende November einen russischen Kampfbomber abgeschossen hatte.

Nun dröhnte demonstrativ das russische Volkslied «Kalinka» aus den Lautsprechern, und der Stadionsprecher rief: «Es lebe die türkisch-russische Freundschaft.» Mit dem Spiel setzten beide Seiten ihren Aussöhnungskurs fort. «Liebesgrüße aus Antalya», titelten Moskauer Medien. Erst vor wenigen Monaten hatte Nationalspieler Dmitri Tarassow noch bei einem Spiel in der Türkei die Zuschauer mit einem Bild von Putin auf seinem T-Shirt provoziert.

Auch der Spielort am Mittelmeer war symbolisch: Vor dem Abschuss des Jets war Antalya vor allem bei russischen Touristen beliebt, die die Strände nun wieder bevölkern sollen. An diesem Freitag hebt nach monatelanger Pause wieder ein Charterflug von Moskau nach Antalya ab. Die Türkei wollte zudem ein Zeichen setzen, dass das Leben auch nach dem Putschversuch einen halbwegs normalen Gang geht.

So war das Spiel zwar politisch wertvoll – aber sportlich ohne große Aussagekraft. Gastgeber Türkei setzte insgesamt fünf Deutschland-Legionäre ein, unter anderen Leverkusens Hakan Calhanoglu und den Neu-Dortmunder Emre Mor. Tschertschessow wiederum baute die Abwehr zur Dreierkette um. Mit Macht treibt der 52-Jährige den Neuaufbau voran: In Antalya standen nur fünf Spieler aus dem EM-Kader in der Startelf. «Der erste Schritt ist gemacht», sagte der Coach.

Der zweite Schritt soll an diesem Dienstag folgen: Tschertschessow feiert in Moskau gegen Ghana Heim-Premiere. Dann soll wieder der Sport im Mittelpunkt stehen. Und nicht Politik oder Haarfarbe.

Fotocredits: Alexander Demianchuk
(dpa)

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