Heimlich unterwegs

Wer täglich die öffentlichen Verkehrsmittel Berlins nutzt, wird ein paar Mal pro Woche kontrolliert.
Das bereitet mir Probleme. Nicht, dass ich keinen Fahrschein hätte. Aber die theatralischen Kontrolleure pflegen mich fast täglich aus meinem U-Bahn-Schlummer zu reißen. Ich fühle mich dann wie der Protagonist einer Kafka-Novelle; eines Vergehens bezichtigt, das ich nicht begangen haben, nicht kenne, aber trotzdem – verurteilt, und bald hingerichtet.
Fast 1.400 U-Bahn-Wagen transportieren jedes Jahr rund 457,9 Millionen Menschen; Tram, S-Bahn, Busse, Straßenbahnen und Fähren kommen gemeinsam auf etwa dieselbe Zahl. Summa summarum: Die Berliner Verkehrsbetriebe befördern im Jahr fast eine Milliarde Passagiere. Regelmäßige Kontrollen sind verständlich. Kaum je erlebe ich eine Kontrolle, bei der nicht wenigstens ein Schwarzfahrer erwischt wird – soweit, so gut.
Wieso die Kontrolleure aber immer so, äh, brutal vorgehen – kaum haben sich die Türen geschlossen, fährt der bislang unauffällige, wenn auch gut durchtrainierte Kerl herum und verkündet mit schnarrender Stimme „Diiiiiiiiiiiiiieeeeeeeee Faaahrscheine. BITTE.“ – kann ich nicht verstehen. Warum nicht ein bisschen dezenter? Ich habe jedesmal das Gefühl, eines schrecklichen Verbrechens überführt zu sein (obwohl ich meinen Fahrschein habe). Schweißausbrüche, unkontrolliertes Zittern und flacher Atem stellen sich augenblicklich ein. Wenn ich dann an der Reihe bin, sehe ich aus wie eine Kuh, der man das Bolzenschussgerät an den Kopf setzt. Meine Augen treten aus ihren Höhlen.
Ich glaube, ich steige wieder auf’s Fahrrad um.

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