Mit Handicap zwei- oder dreirädrig schnell unterwegs

Göttingen – Auch Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen können durchs Radfahren mehr Mobilität und Freiheit im Alltag bekommen. Spezielle Fahrräder machen das Senioren und behinderten Menschen oft problemlos möglich, sagt Cornelia Jurrmann, Sprecherin des Sozialverbandes VdK Deutschland (VdK).

«Der größte Segen im Bereich Radeln mit Handicap ist seit circa 25 Jahren das Sessel- oder Liegedreirad. Hiermit kann man praktisch alle Handicaps sogar bis zur Querschnittslähmung ausgleichen», sagt Hardy Siebecke. Er organisiert seit zehn Jahren die im Frühjahr stattfindende Spezialradmesse (SPEZI) in Germersheim. «Besonders seitdem man sie mit E-Motor bekommt, können auch Menschen mit wenig Kraft wieder mobil sein.»

Ein weiterer Vorteil, ob mit oder ohne Motor, ist die enorme Kippstabilität. «Sie eignen sich deshalb besonders gut für Reha-Maßnahmen», erklärt Thomas Geisler vom Pressedienst Fahrrad (pf-f). «Klassische Hilfsmittel wie Fußhalter, Handablagen, Aufstehhilfen oder Gehstock-Arretierung helfen beim Aufstehen oder bei der Arretierung.»

Es gibt auch dreirädrige Modelle mit herkömmlichem Sattel, daher auch Sattelräder genannt. «Durch ein Zusatzrad, meist hinten, bei einigen Modellen vorne, sind die Räder kippstabiler und lassen sich zum Beispiel auch mit Gleichgewichtsstörungen besser steuern», sagt Geisler. Für Menschen mit starker Arthrose, Bein-Amputationen oder Querschnittslähmung empfiehlt Jurrmann sogenannte Handbikes.

Wie der Name sagt, lassen sich diese mit den Händen, statt mit den Füßen und Pedalen bedienen. «Es gibt unter den Handbikes Spezialkonstruktionen oder Fahrradanbausätze, die man mit dem Rollstuhl verbindet.» Die meisten sind dreirädrig und die Pedale ersetzenden Kurbeln befinden sich vorne am Lenkrad. Modelle mit Elektromotor gibt es auch hier.

Menschen mit Sehbehinderung müssen übrigens auch nicht aufs Radeln verzichten – zumindest solange sie in Begleitung unterwegs sind. «Hierbei kann ein handelsübliches Tandem genutzt werden», sagt Geisler. «Der Voranfahrende übernimmt das Lenken und Bremsen, der hintere muss nur mit in die Pedale treten.»

Neben all diesen Rädern, gibt es etliche weitere Spezialkonstruktionen, Gadgets und Tricks, die Menschen mit Handicap das Radfahren ermöglichen und erleichtern. Fehlt die Hand oder der Arm, bietet sich zum Beispiel das Fahren mit Rücktrittbremse anstelle einer zweiten Handbremse an. «Zum besseren Lenken kann eine spezielle Prothese am Lenker verbaut werden», sagt Geisler.

Hardy Siebecke denkt etwa an eine Marktneuheit: Das Dreirad von Benur, das ab Januar 2019 in Serie gebaut wird. Darauf kann man mit eigenem Rollstuhl auffahren und sich dann mit Hilfe von Handantrieb und E-Unterstützung selbstständig im Verkehr und auf Untergründen, wo ein Rollstuhl versage, zum Beispiel am Strand bewegen könne.

Wichtig bei der Auswahl an Möglichkeiten sei es aber laut Siebecke, einen Radhändler oder Physiotherapeuten zu finden, der sich mit diesen Dingen auskennt, die etwa bei Bedarfsanalysen, Einstellungen und Wartungsarbeiten der Räder meist mit Individualaufbauten helfen könnten. Solche Spezialanfertigungen sind nicht ganz günstig.

Siebecke geht davon aus, dass man mit Kosten von 2500 bis circa 10.000 Euro rechnen muss. Zum Teil und unter gewissen Umständen übernehmen diese die Krankenkassen. «Entscheidend ist, ob das Hilfsmittel im Einzelfall der behinderten Person dergestalt zugutekommt, dass die Auswirkungen der Behinderung behoben oder gemildert werden», erklärt Jurrmann. «Die Zuzahlung der Krankenkassen ist leider von Fall zu Fall abhängig. Hier gibt es keine genauen Vorgaben und viele Betroffene müssen oft hartnäckig verhandeln, um Zuschüsse bekommen», sagt Geisler.

Fotocredits: www.hpvelotechnik.com,Benur,www.hpvelotechnik.com,Heidi Scherm,Frank-Stefan Kimmel,www.flyer.ch
(dpa/tmn)

(dpa)
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