DFB-Team will alles – «Spiel unseres Lebens»

São Paulo – Ein paar Tränen, ein Tänzchen und ein paar Schlager – dann war der Blick mit kindlicher Vorfreude schon fest auf den Höhepunkt einer fast wundersamen Reise gerichtet.

«Was kann es Besseres geben als im Maracanã Fußball zu spielen? In einem Finale zu stehen, bei Olympia – und das gegen Brasilien – und die Goldmedaille zu gewinnen? Für die Jungs und für mich geht ein Traum in Erfüllung», sagte DFB-Trainer Horst Hrubesch nach dem 2:0-Halbfinalerfolg gegen Nigeria am Donnerstag in São Paulo.

Als nach dem frühen Tor von Lukas Klostermann (9. Minute) der eingewechselte Nils Petersen (89.) für die Erlösung gesorgt hatte, übermannten den kernigen Westfalen in der Arena Corinthians die Gefühle. «Ich habe gedacht: Jetzt bist du da», kommentierte er mit Tränen in den Augen, nachdem er noch in der Kabine seine «grandiose» und «geniale» Mannschaft auf den letzten großen Schritt eingeschworen hatte.

Es ist der verdiente Lohn für eine Leistung, die kaum einer für möglich gehalten hatte. Innerhalb von 21 Tagen schuf Horst Hrubesch aus einer unter schwierigen Rahmenbedingungen zusammengestellten Auswahl eine verschworene Einheit. Die wurde nach Gruppenspielen mit Licht und Schatten immer besser und sorgte durch das 4:0 gegen Portugal und den Sieg gegen Nigeria für den größten Erfolg eines DFB-Teams bei Olympischen Spielen und toppte die Bronze-Mannschaft von 1988.

Zwei Jahre nach dem WM-Triumph der deutschen Nationalmannschaft können Hrubeschs «Jungs» an gleicher Stätte wieder ganz oben stehen und nach der DDR 1976 in Montreal als zweites deutsches Fußball-Team Gold holen. «Das ist unbeschreiblich, echt Wahnsinn. Aber noch mehr freue ich mich auf das Spiel unseres Lebens», sagte Stürmer Davie Selke.

Noch immer leiden die Brasilianer unter dem Trauma des 1:7 im WM-Halbfinale gegen Deutschland 2014. Das bekam das Olympiateam in jedem Spiel in Form von Pfiffen und Buhrufen zu spüren – am Samstag geht es somit nicht nur gegen Neymar und Co., sondern gegen eine ganze Nation.

«Ich finde, dass es ein sehr geiles, anspornendes Gefühl ist, wenn man von 80 000 ausgepfiffen wird, wenn die ganze Nation gegen einen ist. Brasilien steht unter enormen Druck, sie wollen etwas gutmachen. Wir können frei aufspielen», sagte Mittelfeldspieler Julian Brandt. Der Profi von Bayer Leverkusen wirkte wie seine Mitspieler sehr gefasst. Nach einem Tänzchen auf dem Rasen habe sich jeder Spieler, wie Jeremy Toljan berichtete, «innerlich gefreut» und das Geschehen «für sich verarbeitet». Erst Team-DJ Brandt lockerte die Atmosphäre mit «Mallorca»-Schlagern auf.

Für Weltmeister Matthias Ginter und Sportdirektor Hansi Flick, 2014 Assistent von Bundestrainer Joachim Löw, ist die Rückkehr nach Maracanã mit unvergesslichen Momenten verbunden. «Ich erwarte ein Stadion, das gefüllt und gegen uns ist. Das ist für uns noch eine Extramotivation», sagte auch Flick.

Und nicht nur der Traum vom Finale wurde wahr. Am Donnerstag zog der gesamte DFB-Tross ins Athletendorf ein – etwas, worüber von Beginn an gesprochen wurde. Die Erfahrungen auf dieser Tour von Frankfurt über Salvador, Belo Horizonte, Brasilia und São Paulo nach Rio de Janeiro werden laut Hrubesch prägend sein.

«Ich habe den Spielern gesagt: ‚Was Ihr hier geleistet habt und vor allem wie ihr es geleistet habt, wie ihr miteinander umgegangen seid, ist genial.‘ In 40 Jahren erzählst Du deinen Enkelkindern, wie eine Mannschaft funktioniert. Das ist das Schöne dabei», sagte er.

Fotocredits: Alan Morici
(dpa)

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