Dopingfrei? Deutsche Athleten machen sich keine Illusionen

Rio de Janeiro (dpa) – Viele deutsche Athleten machen sich keine Illusionen darüber, dass die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro sauberer sein werden als die zuvor.

«Ich glaube nicht, dass die Spiele dopingfrei bleiben», sagte die Bahnrad-Olympiasiegerin Kristina Vogel in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. «Überall, wo es um Geld geht, wird belogen und betrogen. Das ist nicht nur im Sport so.»

Der Fall Russland habe gezeigt, dass dort kein richtiges Anti-Doping-Management betrieben wurde. «Die haben verwirkt, dass man an ihre Leistungen glauben kann», sagte die Fahnenträger-Kandidatin. «Mir bringt es nichts, darüber nachzudenken, ob eine gedopt ist, ich muss sowieso gegen sie fahren, solange es keinen positiven Test gibt.» Sie werde inzwischen «im Wochenrhythmus» kontrolliert. Trotz des nachgewiesenen Staatsdopings in Russland werden rund 250 russische Sportler zu den olympischen Wettkämpfen zugelassen.

Im Gewichtheben werden die Russen fehlen, sollte der von ihnen angerufene Internationale Sportgerichtshof CAS den Totalausschluss durch den Weltverband bestätigen – wie schon den im Frühjahr von Bulgarien. Auch Kasachstan und Weißrussland sind suspendiert worden. «Wenn Russland, Kasachstan und Weißrussland nicht dabei sind, werden es auf jeden Fall sauberere Spiele», sagte der Heidelberger Gewichtheber Jürgen Spieß mit Bezug auf seinen Sport. «Ich bin der Meinung, wer einmal positiv getestet wurde, sollte nie mehr mitmachen dürfen. Für mich als Sportler ist das ein Schlag ins Gesicht.»

Nicht ganz so optimistisch ist sein Heber-Kollege Almir Velagic. «Man muss in fünf Jahren noch einmal gucken, wenn die Proben aufgemacht werden, wie viele es wieder erwischt», so der 34-Jährige aus Speyer. «Das tut weh für unsere Sportart, andererseits tut es uns auch gut.» Wer wie einen Weltrekord aufstelle, interessiere kaum noch. «Wir wissen, dass die 300 Kilo mit unfairen Sachen hochgehoben haben, 99 Prozent wissen das nicht», sagte Velagic.

Bei den Rio-Spielen werden 5000 Dopingtests genommen, die für Nachkontrollen zehn Jahre eingefroren werden. Das Ergebnis von Nachtests der Spiele in Peking 2008 und London 2012: 98 positive Befunde.

«Ich hoffe, dass es faire Wettkämpfe werden. Natürlich gibt es immer schwarze Schafe, die dann auch nicht an Olympia teilnehmen sollten», meinte Kanutin Franziska Weber. «Aber am Ende fragt man sich, ob man die komplette Wahrheit kennt, um wirklich darüber urteilen zu können.» Sie möchte ihre Grenzen kennenlernen «und nicht die Grenzen der Medizin».

Auch Turn-Star Fabian Hambüchen ist skeptisch, ob in Rio alles mit rechten Dingen zugehen wird. «Die Forschung hat sich weiter entwickelt, man kann mehr nachweisen als vorher», sagte er. «Aber mit Sicherheit gibt es wieder Übeltäter, die damit trotzdem durchkommen oder erst in ein paar Jahren entdeckt werden.»

Auch Mit-Turner Marcel Nguyen glaubt nicht, dass es sauber zugehen wird. «Eher nicht», meinte er. «Die Doper sind immer so einen kleinen Schritt voraus.» Wenn es ihnen in acht Jahren nachgewiesen werden könne, interessiere es ohnehin niemanden mehr. «Du hast dein Geld damit gemacht, musst nur die Medaille zurückgeben», sagte Nguyen.

Hammerwerferin Betty Heidler, die in Rio ihre Karriere beendet, weiß schon seit Jahren, mit wem sie um die Wette wirft – und mit welchen Chancen: «Man beobachtet die Konkurrenz, kennt die Leistungsverläufe und denkt sich seinen Teil. Die Hammerwurf-Familie ist da geschult.» Eine andere Leichtathletin will nichts mehr vom Doping-Problem wissen: «Ich bin das Thema leid. Ich sage gar nichts mehr dazu», meinte Hürdensprint-Europameisterin Cindy Roleder.

Gehen denn auch die deutschen Athleten sauber in die Rio-Spiele? «Davon gehe ich, wie in der Vergangenheit, aus», sagte Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Die Nationale Anti-Doping-Agentur und die Fachverbände würden daran mit großem Engagement sowie strengen Kontrollen 365 Tage und Nächte arbeiten. «Und ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass es erfolgreich umgesetzt wird.»

Dennoch haben Skandale wie die Enthüllung des Staatsdopings in Russland die Vorfreude vieler Deutscher auf Olympia getrübt. 41 Prozent der Befragten einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die Deutsche Presse-Agentur ist die Freude auf die Rio-Spiele vergangen. Allerdings wollen sich 44 Prozent der 2011 Befragten die Begeisterung für Olympia nicht nehmen lassen.

Fotocredits: Annegret Hilse

(dpa)
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