Erstes Gold für deutsches Team durch Reiter Jung

Rio de Janeiro – Michael Jung bleibt der weltweit überragende Vielseitigkeitsreiter. Erst verhilft er der deutschen Mannschaft in Rio im abschließenden Springen noch zu Silber, dann holt er sich das Einzel-Gold.

Die stolze Mama war völlig aus dem Häuschen. «Wir haben schon getanzt», rief die Mutter des Olympiasiegers noch vor der Siegerehrung und hüpfte strahlend auf der Stelle.

Brigitte Jung gehörte zu den ersten Gratulanten, nachdem ihr Sohn zum zweiten Mal in Folge zu olympischem Einzel-Gold geritten war. «Unglaublich», rief Michael Jung nach seinem erneuten Gold-Coup und den ersten Umarmungen: «Einfach unglaublich.»

Der Vielseitigkeitsreiter hatte wie schon vor vier Jahren mit zwei Medaillen den Bann gebrochen und im deutschen Olympia-Team für Erleichterung gesorgt. Silber mit dem Team, Gold im Einzel – der 34-Jährige aus Horb ist ein deutscher Olympia-Held. «Großartig», schwärmte Michael Vesper, Chef de Mission, und wirkte dabei sehr erleichtert: «Die Reiter haben wieder geliefert.»

Jung behielt die Nerven. Etwas mehr als zwei Stunden nach der kaum mehr für möglich gehaltenen Silbermedaille mit der Mannschaft ritt der Ausnahmekönner mit seinem Wallach Sam als letzter Reiter in den Parcours – und blieb fehlerfrei.

«Mein Sam ist wie ein Uhrwerk», schwärmte der Reiter über sein 16 Jahre altes Pferd, das ihn schon in London zu Doppel-Gold getragen hatte. «Er lässt sich einfach toll reiten.» Dabei wollte Jung ursprünglich Takinou reiten, doch seine Nummer eins war krank, so dass Sam zum Einsatz kam.

«Diese Coolness ist unfassbar», schwärmte Bundestrainer Hans Melzer: «Es ist einfach unglaublich, wie er das immer wieder macht.» Der Seriensieger hat jetzt dreimal olympisches Gold gewonnen, besitzt zudem sechs goldene EM-Medaillen, war schon Weltmeister im Einzel und mit dem Team – seine Bilanz ist einmalig.

«Man darf ruhig das Wort ‚historisch‘ benutzen. Für ihn gehen die Superlative aus», sagte Dennis Peiler, Sportchef beim Reitsportverband FN. Generalsekretär Soenke Lauterbach rief: «Wahnsinn. Er ist ein Tier! Das ist sensationell.»

In Rio gewann Jung im Einzel vor dem Franzosen Nicolas Astier und dem Amerikaner Phillip Dutton mit Mighty Nice. Doppel-Weltmeisterin Sandra Auffarth aus Ganderkesee kam mit Opgun Louvo auf Rang elf, Ingrid Klimke aus Münster wurde auf Hale Bob 14.

Zuvor hatten Jung, Auffarth und Klimke mit dem deutschen Team nach einer tollen Aufholjagd von Platz vier aus noch Silber hinter dem neuen Olympiasieger Frankreich geholt. Dritter war Australien geworden. Julia Krajewski aus Warendorf durfte mit Samourai im Springen nicht mehr antreten, weil sie im Gelände ausgeschieden war.

Bundestrainer Hans Melzer konnte beim Team-Finale nicht hinsehen. Als das silberne Happy-End perfekt war, stand er etwas abseits vom Geschehen auf einem Trainingsplatz. «Nachdem Michi geritten war, bin ich weggegangen», berichtete der 65-Jährige über die entscheidenden Minuten.

Die Konkurrenz musste Fehler machen – und sie tat es. «Ich konnte das nicht mit anschauen.» Dass es tatsächlich noch zu Rang zwei reichte, hatte der Coach zunächst nur gehört: «Ich habe auf die Reaktionen im Stadion gewartet.»

Mit drei makellosen Ritten im abschließenden Springen hatten Auffarth, Klimke und Jung mit Sam den schlechten Gelände-Auftritt der hochgehandelten Favoriten wettgemacht. Möglich machten den Sprung auf das Podium hinter den Franzosen die Patzer der Konkurrenz aus Australien und Neuseeland. Der überragende Jung gab zu: «Es wäre gelogen, wenn man sagen würde, dass man sich nicht über die Fehler der anderen freuen würde.»

«Das war ein Herzschlagfinale. Die Berg- und Talfahrt hat sich heute fortgesetzt», sagte Sportchef Peiler. «Nach dem Gelände mussten wir das erstmal verdauen. Jetzt sind wir überglücklich. Es ist unglaublich, wie sich das noch gedreht hat.» Verbandschef Breido Graf zu Rantzau schwärmte: «Da kann man einfach nur glücklich sein.»

Bundestrainer Melzer war «unheimlich stolz», dass sein Team doch noch für das erste Edelmetall der deutschen Olympia-Mannschaft gesorgt hat: «Das war ja in London das Gleiche.» Nur dass in Rio eine «Aufholjagd sondergleichen» notwendig war. «Das ist schon toll», schwärmte Melzer: «Das ist eine Belohnung für die Reiter.»

Dennoch ist es die erste Niederlage der Deutschen bei einer internationalen Großveranstaltung seit sechs Jahren. Das Team der Bundestrainer Melzer und Chris Bartle hat seitdem unter anderem dreimal bei Europameisterschaften und bei der WM 2014 in Caen gewonnen.

Fotocredits: Friso Gentsch,Fazry Ismail,Friso Gentsch,Friso Gentsch,Friso Gentsch
(dpa)

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