Finale mit Signalwirkung: FCB will Leipzig-Angriff abwehren

Berlin – Beim verbalen Schlagabtausch vorm großen Finalabend überboten sich die Trainer-Kontrahenten Niko Kovac und Ralf Rangnick mit höchsten Respektsbekundungen.

«Wir haben den schwerstmöglichen Gegner, den man in Deutschland kriegen kann», sagte Rangnick im Olympiastadion über den FC Bayern – und Kollege Kovac entgegnete prompt: «Ich glaube, das kann ich dem Ralf wiedergeben: Leipzig ist der schwerste Gegner, den wir kriegen können.»

Am Samstag (20.00 Uhr/ARD und Sky) geht es nicht allein um den acht Liter Schampus fassenden «Pott», mit dem es sich so schön feiern lässt. Die Premiere zwischen dem 18-maligen Rekordpokalsieger aus München, bei dem Kapitän Manuel Neuer wieder im Tor stehen wird, und dem noch titellosen Herausforderer aus Sachsen könnte die Tektonik des deutschen Fußballs verschieben. Status quo oder Zeitenwende?

Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge sieht im neuen Rivalen «die dritte Kraft» in Deutschland, hinter seinen Bayern und Borussia Dortmund. Das habe sich in der Bundesliga «herauskristallisiert». Rangnick nahm diese Vorlage auf: «Wir werden versuchen, den Abstand zu verringern.»

Der 60-Jährige weiß um die Symbolik und die Signalwirkung des ersten Endspiels zwischen dem Branchenführer und dem im Osten Deutschlands mit österreichischen Red-Bull-Millionen geschaffenen Fußball-Projekt. «Gerade gegen uns als Emporkömmling werden sie versuchen, die Machtverhältnisse wiederherzustellen», erklärte Rangnick. Im letzten Spiel als RB-Coach träumt er von der «Krönung» – für sich und den Verein, den er hauptsächlich als Sportdirektor groß gemacht hat. Zehn Jahre nach der Gründung winkt RasenBallsport die erste Trophäe.

Verhindern will das Pokalexperte Kovac, der das dritte Endspiel nacheinander in seiner Heimatstadt erlebt. Letztes Jahr düpierte der 47-Jährige noch mit Eintracht Frankfurt die großen Bayern (3:1). Als Double-Gewinner würde Kovac seine Position in München festigen. Der Job ist ihm vor seinem 49. Pflichtspiel als Bayern-Coach praktisch garantiert worden. «Es hat doch niemand infrage gestellt, dass er nächste Saison noch unser Trainer ist», sagte Rummenigge am Freitag in Berlin. Kovac nahm die Aussage zur Kenntnis, es gehe aber jetzt nicht um ihn: «Ich möchte meine ganze Energie auf das Spiel stürzen.»

29 Meisterschaften, 18 Pokalerfolge, sieben Europapokalsiege – das ist die Titelsammlung, mit der die Bayern protzen können. Bei den Roten Bullen steht überall eine Null. Die Erfahrung in großen Spielen, die besondere Atmosphäre des Pokalendspiels, das kennen die erfahrenen Münchner Profis bestens. Die Leipziger um den womöglich zum FC Bayern wechselnden Nationalstürmer Timo Werner betreten dagegen Neuland. «Es ist unser erstes Mal. Wir freuen uns riesig darauf. Wir brauchen viel Mut», sagte RB-Kapitän Willi Orban am Freitag bei der Pressekonferenz im Stadion «noch entspannt».

An Leidenschaft und Willensstärke wird es nicht mangeln. Beide Kontrahenten können fast in Bestbesetzung antreten. Nur Leon Goretzka fällt bei den Bayern aus. Dafür meldete sich Neuer fit. «Manuel wird spielen. Er ist ein Eckpfeiler», sagte Kovac. Die sechs Wochen Pause des Kapitäns wegen einer Wadenblessur seien kein Problem. «Ich habe die Woche komplett trainiert und fühle mich gut», berichtete Neuer.

Kovac muss mal wieder viele Befindlichkeiten bei der Personalauswahl managen. «Der Trainer hat einen schweren Job, das zu moderieren», bemerkte Sportdirektor Hasan Salihamidzic. Franck Ribéry und Arjen Robben müssen sich auch beim letzten Spiel als Bayern-Profis in die Ersatzspielerrolle fügen. Rangnick musste sogar sieben Spielern sagen, dass für sie kein Platz im Kader ist. «Wir wollen das Spiel der Spiele machen», sagte Rangnick, der schon mit Schalke 2011 den DFB-Pokal gewann; übrigens mit Neuer als Kapitän und Torwart.

Taktisch sind keine Überraschungen zu erwarten. Die Bayern werden mehr Ballbesitz haben und ihre individuelle Klasse ausreizen wollen. Das Team hat sich auch von den Nebengeräuschen um den Trainer gelöst. «Wir haben gesagt, wir müssen unseren Job machen und alles geben, was wir noch an Kraft haben», berichtete Torjäger Robert Lewandowski.

Leipzigs Spielweise ist auf defensive Stabilität, Pressing, hohe Laufbereitschaft, Balleroberung und überfallartige Konter angelegt. «Wir dürfen keine Ballverluste in den gefährlichen Zonen haben. Das ist die größte Waffe, die sie haben», mahnte Bayerns Abwehr-Routinier Mats Hummels. «Der Schlüssel wird sein, dass wir Bayern möglichst wenig Raum und Zeit geben, zu kombinieren», erklärte Rangnick.

Die Sachsen, an etlichen Bundesliga-Standorten im Alltag angefeindet, dürften im Finale gegen die polarisierenden Bayern bundesweit einige Einmal-Fans haben. Ein Titelgewinn wäre ein besonderes Signal. Dortmund wäre dann nicht mehr der einzige Münchner Titel-Rivale. Das Supercup-Finale zu Beginn der Spielzeit 2019/20 würde dann auch FC Bayern gegen RB Leipzig lauten.

«Das sind die drei Clubs, die in der näheren Zukunft um die Titel spielen werden», sagte Kovac – mit dem Zusatz: «Dass die Bayern oft und immer oben bleiben werden, davon können wir alle ausgehen.» So wünscht es sich Kovac in seiner Heimatstadt auch im 76. Pokalfinale.

Fotocredits: Christian Charisius,Christian Charisius,Christian Charisius,Christian Charisius,Christian Charisius,Jan Woitas,Kay Nietfeld
(dpa)

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