In Zeiten von Corona ist Wandern angesagt

Berlin – Urlaub wie zu Großmutters Zeiten würden Kritiker vielleicht zu dem sagen, was den Deutschen bevorsteht. Denn die Drinks am Ballermann, der Surf-Urlaub auf Bali oder die Kreuzfahrt durchs Mittelmeer werden in diesem Sommer der Corona-Pandemie aller Wahrscheinlichkeit nach ausfallen.

Stattdessen: Wandern in der Natur vor der eigenen Haustüre als eine der wenigen Arten, seinen Urlaub zu verbringen. Langweilig? Auf keinen Fall, sagt Wanderpapst Manuel Andrack und wirbt mit den freien Flächen der Rhön, dem Abwechslungsreichtum der Eifel und den Traufkanten der Schwäbischen Alb. «Ich habe noch nie verstanden, warum die Leute ins Flugzeug steigen, um auf Malle zu wandern.»

Erholung des Binnentourismus erwartet

Das Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes erwartet, dass sich der Binnentourismus deutlich früher erholt als der internationale Tourismus. «Da fällt natürlich auch das Wandern drunter», sagt der Sprecher des Wanderverbandes, Jens Kuhr. Schon alleine deshalb könne man davon ausgehen, dass die Zahl der Wanderer in Deutschland im Sommer zunehmen werde.

Und schon jetzt – vor der eigentlichen Urlaubssaison – spricht einiges dafür, dass Wandern eine Renaissance erlebt. «Ich bin fast jeden Tag draußen, das sieht man schon», sagt Andrack, der bekannt wurde als Sidekick des Moderators Harald Schmidt und mehrere Bücher über das Wandern geschrieben hat.

Auch in der Wanderszene, in der er gut vernetzt sei, werde darüber gesprochen, dass mehr Menschen unterwegs sind. Vor allem auch solche, die vorher nicht unbedingt auf den Wegen anzutreffen waren. Das sieht auch der Deutsche Wanderverband so und geht aufbauend auf Beobachtungen von «massiven Steigerungen» der Zahlen aus.

Offizielle bundesweite Statistiken gibt es nicht, zumindest einen kleinen Einblick gibt aber eine Zählung des nordrhein-westfälischen Landesbetriebes Wald und Holz von Ende März: Demnach war in der Eifel und im Waldgebiet Kottenforst bei Bonn eine auffällige Steigerung von Besuchern registriert worden. Teilweise wurde sogar eine Verdopplung der Zahlen festgestellt.

Wird es zu voll auf den Wanderwegen?

Doch können Wald und Weg diesen zumindest augenscheinlichen Wander-Boom überhaupt verkraften oder wird es nicht langsam zu voll? «Das ist doch Unsinn», antwortet Manuel Andrack darauf. Es habe schon immer Leute gegeben, die am liebsten einen Zaun um ihren Wald gehabt hätten, er freue sich aber total, wenn mehr Menschen unterwegs sind. Das sieht auch der Wanderverband so und ergänzt, dass es in Deutschland auch in Corona-Zeiten genug Wege gebe, damit alle ausreichend Sicherheitsabstand halten könnten.

Dabei helfe es Tageszeiten auszuprobieren, an denen nicht jeder gehe oder auch Ziele anzusteuern, die nicht jeder ansteuere, heißt es vom Verband. Und: Wenn man raus wolle, müsse man sich natürlich an die gesetzlichen Regelungen zur Eindämmung der Pandemie halten und «sich vor Ort erkundigen, was erlaubt ist und was nicht».

Wanderer sind keine Gefahr für die Natur

Auch die Naturschützer sehen grundsätzlich erstmal keine Probleme durch einen möglichen Anstieg der Wandererzahl. «Wir sind froh um jeden Menschen, der sich für die Natur interessiert und sie zu schätzen weiß», sagt die BUND-Expertin für Waldpolitik, Nicola Uhde. Rehe und andere Wildtiere seien flexibel – die könnten sich problemlos an mehr Menschen auf einem Weg gewöhnen.

In Gebieten, in denen zum Beispiel sensible Vögel brüten, müssten Wanderer allerdings durchaus gelenkt werden – das passiere aber meistens schon. Die verbreitete Einschätzung «Wir dürfen nicht in die Natur, daran geht sie kaputt», bezeichnete Uhde als Märchen. Das Wälder derzeit Probleme haben, liege vielmehr an einer oftmals zu intensiven Forstwirtschaft und dem Klimawandel.

Aus Sicht von Wanderverbandssprecher Jens Kuhr kann die Bewegung in der Natur den für viele sehr grauen Corona-Alltag etwas bunter machen. Zu den gestiegenen Zahlen sagt er: «Ich hoffe, dass das auch nach Corona ein bisschen erhalten bleibt.» Vielleicht muss es also gar nicht immer Mallorca, Bali oder ein Kreuzfahrtschiff sein.

Fotocredits: Uwe Zucchi
(dpa)

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