Kirchhoffs Olympia-Start 20 Jahre nach Doppel-Gold

Rio de Janeiro – Ulrich Kirchhoff reitet mit Gänsehaut. «Schau dir das an, die Haare sind immer noch», sagt der deutsche Springreiter mit breitestem Grinsen. «Das ist ein Feeling, das ist überwältigend», schwärmt der 49-Jährige in Rio de Janeiro.

Nach langer Pause startet er erstmals wieder bei Olympischen Spielen und ist begeistert wie ein kleiner Junge. Vor 20 Jahren erlebte Kirchhoff seine sportliche Sternstunde, 1996 in Atlanta. Im Sattel von Jus de Pommes gewann der lange Schlacks überraschend Gold mit der Mannschaft und im Einzel. Plötzlich war er ein Olympia-Star, der neue Held des Reitsports mit der frechen Klappe. Doch dann folgte der Schock.

«Ich habe den Olympia-Sieg nie richtig genießen können, weil mein Pferd gestorben ist», sagt der Reiter. Jus de Pommes ging nur wenige Tage nach dem Triumph ein. «Das war schrecklich, ich liebe meine Pferde. Da kann man das nicht so genießen wie andere.»

Umso mehr genießt der Reiter aus dem niedersächsischen Lohne nun den Start in Rio de Janeiro. Dass er nicht im deutschen, sondern im ukrainischen Team reitet, ist Kirchhoff egal. Genauso wie die kuriose Geschichte, die das späte Olympia-Comeback ermöglichte.

Seit knapp drei Jahren reitet er für die Ukraine. Geld und teure Pferde des ukrainischen Multimillionärs Alexander Onischtschenko verlockten zum Nationalitäten-Wechsel. Doch wenige Wochen vor Rio musste der Geldgeber untertauchen. Onischtschenko floh aus seiner Heimat, weil ihm seine Immunität als Abgeordneter aufgrund von Korruptionsvorwürfen entzogen wurde. Zeitgleich erwarb der Pferdehändler Paul Schockemöhle 44 Pferde von Onischtschenko.

Kirchhoff kaufte einen kleinen Anteil an dem Rio-Pferd Prince de la Mare von der Paul Schockemöhle Pferdehaltung GmbH. Genau wie der Emsbürener René Tebbel an Zipper. So gelang doch noch der Olympia-Start. «Wir haben keinen Kontakt mehr zu Onischtschenko», versichert Kirchhoff: «Ich weiß nicht, wo er ist. Der kann überall sein.»

Was nach den Spielen passiert, weiß der Reiter nicht. «Wir waren alle angestellt bis Olympia, die Verträge laufen jetzt aus», sagt Kirchhoff. «Man weiß nicht, wie es mit Onischtschenko weitergeht.» Trotz der Probleme steht für ihn fest: «Ich reite weiter für die Ukraine.»

Kirchhoff, der ein großer Junge geblieben ist, hat sich vorgenommen, sich den Spaß nicht verderben zu lassen. Ein Olympia-Start sei das Größte: «Da vergisst man viele, viele Wehwehchen.» In der Nacht vor dem ersten Ritt habe er «im Bett gelegen und von der alten Zeit geträumt».

Wechselhaft waren die zwei Jahrzehnte seit Atlanta. Manche meinen, Kirchhoff habe aus seinem Talent zu wenig gemacht. Er ist aber ein Stehaufmännchen, ein meist fröhlicher, netter Plauderer. «Meine Mama hat immer gesagt: ‚Junge, du kriegst immer auf die Fresse, fällst hin und hast den Kopf doch wieder über den Rasen.’»

Deshalb ist er jetzt in Rio und erzählt munter drauflos. «Ich bin abergläubisch», verrät Kirchhoff und berichtet: «Ich habe die Trense von Jus de Pommes mitgenommen.» Das soll bei der späten Olympia-Rückkehr Glück bringen.

Fotocredits: Friso Gentsch
(dpa)

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