Vernetzte Motorräder der Zukunft

Berlin – Das Motorrad der Zukunft ist smart. Es kommuniziert mit anderen Fahrzeugen, erkennt Gefahren und warnt den Fahrer automatisch. Das soll die Sicherheit im Verkehr erhöhen.

Zum Thema Vernetzung forschen auch die großen Hersteller, die sich im Connected Motorcycle Consortium (CMC) zusammengeschlossen haben. Das CMC wurde vor drei Jahren von BMW, Honda und Yamaha gegründet. Mittlerweile nehmen viele weitere Motorradhersteller wie KTM, Kawasaki und Suzuki daran teil, andere sind in der Beitrittsphase.

Das CMC nahm auch an der Motorradkonferenz teil, die im Vorfeld der Intermot (3. bis 7. Oktober) vom Institut für Zweiradsicherheit (ifz) veranstaltet wurde. Die Trends in der Sicherheitstechnik erläutert Hennes Fischer, CMC-Sprecher und Senior Advisor bei Gründungsmitglied Yamaha.

Wozu wurde das CMC gegründet?

Fischer: Das Hauptanliegen ist, die Motorradsicherheit mit Hilfe von Konnektivität zu erhöhen. Das Hauptfeature wird Motorcycle Approach Warning sein.

Was ist das?

Fischer: Ein Warnsystem. Aktuell passieren sehr, sehr viele Unfälle, bei denen etwa der Motorradfahrer auf der Hauptstraße fährt und ein Autofahrer aus einer Nebenstraße kommend ihn nicht sieht, losfährt, und es schlimmstenfalls zum Unfall kommt. Mit Konnektivität können wir das Auto schon im Vorfeld warnen: Achtung, da kommt ein Motorradfahrer von links. Auch der Motorradfahrer bekommt die Info über das Auto. Aber auch Informationen über Straßenzustände, Stau und so weiter sollen dann weitergegeben werden.

Wie genau soll die Kommunikation ablaufen?

Fischer: Das Ziel ist, eine gemeinsame Architektur und einen gemeinsamen Standard für Motorrad-Connectivity-Systeme zu etablieren. Um sicherzustellen, dass die Motorräder der einzelnen Hersteller untereinander aber auch mit anderen Fahrzeugen wie Autos, Trucks oder anderen Verkehrsteilnehmern kommunizieren können.

Wie muss man sich diese Kommunikation vorstellen?

Fischer: Dafür gibt es verschiedene Technologien. Was sicherheitsrelevante Funktionen angeht, müssen sie direkt miteinander kommunizieren. Im Moment geht das mit einer Technologie, die im 5,9-GHz-Band läuft. Darüber tauschen die Fahrzeuge Botschaften aus, etwa über den Standort oder die Fahrtrichtung.

Das ist dann quasi ein drahtloses Netzwerk, vergleichbar mit WLAN?

Fischer: Ja, die Fahrzeuge sprechen dabei ganz direkt miteinander, grob vereinfacht wie bei einem Walkie-Talkie und tauschen standardisierte Meldungen aus. Was rein aber die Kommunikationstechnologie angeht, haben wir da nichts Neues erfunden, sondern lehnen uns an die Autoindustrie an. Das würde ja auch keinen Sinn machen, da sich beide Gruppen ja austauschen sollen. CMC konzentriert sich darauf, die Technik fürs Motorrad passend zu machen.

Wo liegt dabei die Schwierigkeit?

Fischer: Sie können die Technik nicht eins zu eins übernehmen. Denn zum Beispiel ist die Fahrdynamik beim Motorrad eine andere. Und bestimmte Funktionen eines Auto hat ein Motorrad eben nicht, so dass wir gewisse Dinge nicht detektieren können.

Was zum Beispiel?

Fischer: Wenn ich etwa die Message «Pannenfahrzeug» übertragen will. Das wird beim Auto über Parameter abgefragt, etwa Kofferraum offen, Motorhaube offen, Tür offen und angezogene Handbremse. Das haben wir beim Motorrad alles nicht. Wir müssen fragen: Was ist ein Pannen-Motorrad, und wie detektieren wir das? Das muss herstellerübergreifend ganz klar geregelt sein, damit sich ein Fahrzeug immer gleich verhält.

Wann dürften die Systeme in Serie gehen?

Fischer: Man muss noch mit so etwa drei bis fünf Jahren rechnen. Es hängt auch nicht allein an uns. Einige Standards außerhalb der Motorradindustrie etwa sind in der Schwebe, und wir können nur loslegen, wenn die Parameter, die wir nicht zu verantworten haben, geklärt sind. Die Datensicherheit zum Beispiel.

Die meisten Fahrzeuge dürften dann noch nicht vernetzt sein. Wie profitiert ein Biker, wenn er sich dann ein Bike mit so einer Technik kauft?

Fischer: Wenn Sie eine neue Technik in den Markt bringen, hängt die Wirkung entscheidend davon ab, wie stark die Penetrationsrate ist. Darüber muss man sich im Klaren sein, dass es ein paar Jahre dauert, bis ausreichend Fahrzeuge auf der Straße sind.

Denn ein nicht vernetztes Fahrzeug würde das Motorrad mit dieser Technik nicht erkennen?

Fischer: Nein, das setzt die direkte Kommunikation voraus.

Stichwort automatisiertes Fahren der Zukunft. Wie dürften Motorräder da integriert werden?

Fischer: Zunächst mal muss man sich die Frage stellen, wie weit das Sinn macht, Motorräder zu automatisieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Motorradfahrer ein voll automatisiertes Fahrzeug auf zwei Rädern haben will, mal vorausgesetzt, das wäre technisch überhaupt machbar. Und dann fragt sich, wie teil- oder gar nicht automatisierte Motorräder integriert sind. Da gibt es zwei Möglichkeiten: einmal Konnektivität. Dann teilt das Motorrad dem anderen Fahrzeug mit: Hallo, hier bin ich, verhalte Dich bitte entsprechend, dass wir nicht zusammenstoßen. Und das zweite ist: Die Onboard-Systeme der automatisierten Fahrzeuge müssen in der Lage sein, ein Motorrad zu detektieren, wenn die Konnektivität nicht da ist.

Ist das schwierig für die Sensoren?

Fischer: Ja, Motorräder zeigen ein völlig anderes Fahrverhalten als beispielsweise Autos, haben ein sehr komplexes Radarbild, weil es sehr viele verschiedene Typen gibt, und im Vergleich zum Auto gibt es wenig Radarreflexionsfläche. Und im Gegensatz zu einem Fußgänger haben sie ganz andere Geschwindigkeiten.

Dann haben solche Robotersysteme zum Teil die gleichen Probleme wie der Mensch?

Fischer: Richtig. Es bestimmt technisch machbar, aber es ist eine Herausforderung. Wir sind bei der Entwicklung mit involviert. Wir können nicht die Arbeit der Autoindustrie machen, aber wir versuchen, so gut es geht beratend tätig zu sein.

Springen wir mal 20 Jahre in die Zukunft. Wie sieht der Straßenverkehr dann aus, und wo hat das Motorrad seinen Platz?

Fischer: Ein Teil des Straßenverkehrs wird sicher hoch automatisiert sein. Aber das Motorrad wird nach wie vor seinen Platz haben, denn es hat viele Vorteile beim Platz- und Energiebedarf. Auch zur Herstellung braucht man weniger Energie als beim Auto. Das Motorrad hat eigentlich einen guten ökologischen Foodprint. Das Motorrad hat nicht nur als Spaßfahrzeug, sondern auch als Kombination aus Freude am Fahren und Fortbewegung eine Zukunft. Wir sehen es auch in künftigen Verkehrsszenarien als wichtiges Transportmittel.

Fotocredits: Christian Houdek,BMW,Yamaha,Arnold Debus
(dpa/tmn)

(dpa)
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