VfB-Präsident Wolfgang Dietrich vor der Abwahl?

Stuttgart – Er weiß nicht, was am Sonntag passieren wird. Wolfgang Dietrich zuckt mit den Schultern. Er hat zwar eine Zahl von Menschen im Kopf, die seine Gegner mobilisieren könnten, aber er will diese Zahl nicht verraten.

Er könne nur hoffen, sagt der Präsident des VfB Stuttgart, dass ein relativ breites Spektrum an Menschen abstimmen werde. «Es kann ja nicht sein, dass nur die Lauten bestimmen, was die Ausrichtung des Vereins betrifft», sagt Dietrich.

«Die Lauten», das sind seiner Beschreibung nach diejenigen, die ihn lieber heute als morgen von der Clubspitze entfernen würden. Seit Monaten protestierten sie im und vor dem Stadion gegen den 70-Jährigen, sie hängten «Dietrich-Raus!»-Plakate in der Stadt auf, in den sozialen Netzwerken toben ohnehin seit langem sachliche und weniger sachliche Debatten um seine Person.

Insbesondere seine Familie leide darunter, sagt Dietrich. Es spitzte sich so weit zu, dass auf der Mitgliederversammlung am Sonntag über Dietrichs Zukunft abgestimmt wird. Ein entsprechender Antrag auf Abwahl des Präsidenten wurde auf die Tagesordnung genommen.

Dietrich sitzt in seinem Büro auf der Geschäftsstelle des in die 2. Fußball-Bundesliga abgestürzten Traditionsclubs. Der 70-Jährige lehnt sich mal vor und mal zurück, ruhig sitzt er fast kaum, natürlich beschäftigt ihn das Thema Abwahl wie kein anderes in diesen Tagen. Er habe allerdings den Eindruck, «dass nach wie vor viele Mitglieder der Meinung sind, dass ich der richtige Präsident bin.»

Es wird nach Dietrichs Rechnung auch darauf ankommen, wie viele der fast 70.000 Mitglieder am Sonntag ins Stadion kommen. Mindestens 75 Prozent der anwesenden Stimmberechtigten müssten für eine Abwahl stimmen. Sein Präsidiumskollege Bernd Gaiser, Sportvorstand Thomas Hitzlsperger und Sportdirektor Sven Mislintat werden Plädoyers abgeben, mit Dietrich weiterzumachen. Ihre Argumente: Der VfB braucht Konstanz in der Führung, er ist finanziell gesund, die Mitgliederzahlen haben sich in Dietrichs Zeit sehr positiv entwickelt und zudem gibt es keine Alternative zu ihm.

Die Argumente seiner Gegner sind komplexer. «Die Liste, die zumindest uns voller Überzeugung den Rücktritt von Wolfgang Dietrich fordern lässt, ist lang», schreibt eine Ultragruppierung in einem Statement. Dazu zählen etwa die Verpflichtung des im Februar abberufenen Michael Reschke als Sportvorstand oder Dietrichs Vergangenheit als Investor. Dietrich war lange am Unternehmen Quattrex beteiligt, das Fußballclubs Kredite gewährt. Ein Teil des Kreditzinssatzes ist variabel und hängt von den TV-Einnahmen der jeweiligen Clubs ab. Je erfolgreicher der Verein, desto mehr TV-Einnahmen und desto mehr Geld fließt zurück.

Vor seiner Wahl zum VfB-Chef im Oktober 2016 hatte Dietrich seine offiziellen Funktionen bei Quattrex niedergelegt sowie den VfB-Gremien und der Deutschen Fußball Liga (DFL) seine weiter bestehenden Beteiligungen offengelegt. Gremien und DFL sahen anschließend keinen Interessenskonflikt und gaben grünes Licht für seine Wahl. Aber einige Mitglieder dürfte Dietrich am vergangenen Dienstag mit der Aussage überrascht haben, dass er noch bis Ende 2017 von Einnahmen aus Verträgen profitiert habe, die «Quattrex vor meiner Zeit als Präsident abgeschlossen» hat. Dietrich hielt bis zum 31.12.2017 entsprechende Quattrex-Aktien.

Das Brisante: Quattrex hatte laut «kicker»-Recherchen unter anderem Union Berlin und dem 1. FC Heidenheim Kredite gewährt – beide Clubs waren in der Saison 2016/17 Gegner des VfB in der 2. Liga. Dietrich selbst bestätigte die Namen der Clubs zwar nie, räumt aber ein: «Wenn diese Clubs, mit denen die Quattrex vor meiner VfB-Zeit zusammengearbeitet hat, erfolgreich gewesen wären, dann hätte ich bis zum 31.12.2017 an deren Erträgen partizipiert.»

Dass zwar nicht die DFL, aber möglicherweise einige Mitglieder einen Interessenskonflikt darin sehen könnten, dass er vom sportlichen Erfolg direkter Gegner hätte profitieren können, «kann ich nur schwer nachvollziehen», meint Dietrich. Das Thema nervt ihn. «Aufgrund der Statuten gab es keine Verpflichtung für mich, die Anteile zu verkaufen. Aber ich habe es zum 31.12.2017 trotzdem getan.»

Fotocredits: Fabian Sommer
(dpa)

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