Wenn das Coronavirus die Innenstädte leerfegt

Düsseldorf – Der vergangene Winter war keine gute Zeit für den Modehandel in den deutschen Einkaufsstraßen. Nach den regelmäßigen Branchenumfragen des Fachblattes «Textilwirtschaft» lagen die Umsätze des klassischen Modehandels seit Oktober Monat für Monat deutlich unter dem Vorjahresniveau.

Doch könnte alles noch schlimmer werden. Der Handel fürchtet, dass die Coronaviruskrise eine Insolvenzwelle im Textil-, Schuh- und Lederwarenhandel auslösen könnte.

Die Handelsverbände Textil (BTE), Schuhe (BDSE) und Lederwaren (BLE) warnten in dieser Woche vor dem Risiko eines bundesweiten Nachfrageeinbruchs durch das Coronavirus und nannten die Gefahr einer «Schließungswelle speziell im stationären Modehandel». Sie forderten rasche und unbürokratische Hilfen des Staates. Schließlich seien in den besonders vom Virus betroffenen Gebieten wie dem Kreis Heinsberg die Auswirkungen der Krise für den Textilhandel schon heute existenzbedrohend. «Im Kreis Heinsberg sind Umsatzeinbrüche von 50 bis 70 Prozent derzeit an der Tagesordnung», klagte Rolf Pangels, der Hauptgeschäftsführer des BTE.

Die Regel sind solche Umsatzeinbrüche bisher aber wohl nicht. Nach den Zahlen des auf die Messung von Kundenfrequenzen in den Innenstädten spezialisierten Unternehmens Hystreet waren viele Einkaufsstraßen in Deutschland am vergangenen Samstag sogar überdurchschnittlich gut besucht. «Hier war das gute Wetter wohl ein stärkerer Einflussfaktor als die Furcht vor dem Coronavirus», meinte Hystreet-Geschäftsführer Nico Schröder. Der Handelsexperte schränkte allerdings gleichzeitig ein, die Zahl der Passanten sage natürlich noch nichts über die Kaufbereitschaft der Kunden an diesem Tag aus.

Die Modebranche jedenfalls fürchtet selbst eine vorübergehende Kaufzurückhaltung der Kunden. Schließlich könne der Handel Hosen oder Schuhe aus der Frühjahrskollektion, schon im Sommer kaum noch verkaufen – und wenn, dann nur mit erheblichen Preisnachlässen. «Wir haben im Modehandel noch immer die Erfahrung gemacht, dass ein verlorener Konsum nicht nachgeholt wird», beschreibt BTE-Präsident Steffen Jost das Dilemma der Modehändler.

Doch nicht nur ausbleibende Kunden drohen zum Problem der Branche zu werden. Auch ausbleibende oder verspätete Lieferungen können zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Schließlich kam und kommt es in China durch das Virus zu Produktionsproblemen. Und China ist nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes für Deutschland das mit Abstand wichtigste Lieferland für Mode. Gemessen am Einfuhrwert stammt rund ein Viertel der Modeimporte von dort. Auch Produkte aus Vietnam oder Bangladesch sind oft mit Vorprodukten aus der Volksrepublik hergestellt.

Nach einer Umfrage des Modeverbands Deutschland GermanFashion erwartet mehr als die Hälfte der im Verband zusammengeschlossenen Modehersteller Lieferverzögerungen. Ein Drittel geht sogar von Stornierungen bei Teilen der Produktion aus. Zwar glaubt der Präsident des Modeverbands, Gerd Oliver Seidensticker, der Kunde werde angesichts des vorhandenen Überangebots davon gar nichts bemerken. Doch das heißt nicht, dass auch die Händler ungeschoren davonkommen. Was nicht ankommt, kann schließlich nicht verkauft werden und die Einnahmen fehlen am Ende in der Kasse. Außerdem dürfte der Griff zum Rotstift unvermeidlich sein, wenn Teile der Sommerkollektion mit monatelanger Verspätung eintrudeln sollten.

Es gibt allerdings auch Stimmen, die vor einer Überdramatisierung warnen. Der Vorsitzende des Insolvenzverwalterverbandes VID, Christoph Niering, betonte im Gespräch mit der «Textilwirtschaft», der Modehandel gehöre, was das Coronavirus angehe, nicht zu den «Kernrisikobranchen» wie etwa der Tourismus oder die Messebranche. Doch räumte auch er ein, ein Anlass für Entwarnung sei das natürlich nicht. «Die Modebranche hat eh zu kämpfen. Da kann auch ein leichter Abschwung problematisch sein.»

Fotocredits: Andrew Medichini
(dpa)

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