Wie einst Olympiasieger Bischof: Judokas im Rio-Stresstest

Rio de Janeiro (dpa) – Als Judoka wäre Ole Bischof dieser Tage in seinem Element. Der große Olympia-Wettkampf steht an, die Spannung wird immer größer, jetzt heißt es cool und konzentriert bleiben.

Der bislang letzte deutsche Olympiasieger von Peking 2008 konnte sich wie kaum ein Zweiter punktgenau auf die wichtigsten Wettkämpfe seiner Karriere vorbereiten. In einer Sportart wie Judo, die in Deutschland nur einmal alle vier Jahre im Fokus steht, entscheiden oft weder Muskeln noch Ausdauer oder Technik – sondern der Kopf. «Ole war gar nicht der beste Techniker», sagt Verbandspräsident Peter Frese. «Aber diese Fokussierung auf den Sieg, das hat er perfekt gemacht.»

Bischof, der vier Jahre nach seinem Coup von Peking in London 2012 auch noch Olympia-Silber gewann, weiß nur zu gut, was die deutschen Rio-Athleten in den letzten Tagen vor den Kämpfen erwartet. Nach dem Training daheim ist es eine mentale Ausnahmesituation, in der auch noch eine körperliche Tortur ansteht – Nachahmung nicht empfohlen!

«Als ich zu solchen Events geflogen bin, war ich nach der Anreise immer richtig müde und platt», erzählt der 36-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Man stehe stark unter Stress, müsse sich zugleich aber von der harten Vorbereitung erholen, um nicht ausgelaugt in den Wettkampf zu gehen. «Dabei müssen sie noch Gewicht machen und richtig viel schwitzen, Jetlag obendrauf», berichtet Bischof. «Gewicht machen» ist eine nur Leistungssportlern geratene Methode, um am Tag des Wettkampfs topfit zu sein und das erlaubte Gewicht zu erreichen.

Bischof als Kämpfer in der Klasse bis 81 Kilogramm etwa wog normalerweise 86 Kilogramm. An den Tagen vorher reduzierte er zunächst die Mahlzeiten, dann auch die Wasserzufuhr. Energie spendeten dem Körper nur Powerriegel oder Studentenfutter. Zusätzlich wurde Bischof Gramm um Gramm durch Joggen in warmer Kleidung und heißes Baden los. Beim Wiegen am Wettkampfmorgen passte das Gewicht – mit dem Schritt von der Waage begann er wieder zu trinken. Das Prozedere sorge im Kampf für mehr Substanz, als wenn ein Sportler einfach das ganze Jahr hindurch sein Wettkampfgewicht halte.

Zum Gewicht-Machen kommt für die deutschen Starter in Rio aber auch noch der psychische Stress dazu: Man darf nicht verkrampfen, aber auch nicht den Fokus verlieren. Man will sich konzentrieren, aber auch die Atmosphäre der Spiele genießen. Bischof hatte eine eigene Methode. «Ich wusste, wie groß die Belastung wird. Um das abzukönnen, habe ich in der Vorbereitung mein Gehirn mit Merksätzen programmiert. Ich habe mich am Tag X nur von Kampf zu Kampf orientiert», sagt er.

Er hatte Erfolg. Der Präsident des Deutschen Judobundes wertet die Silbermedaille von London gar höher als Gold in China. Denn 2012 war Bischof eigentlich nicht mehr so stark wie 2008. Aber «diese Fokussierung auf den Sieg» beeindruckt Peter Frese noch heute.

Ein Augenblick kann über Triumph oder Tränen entscheiden. «Judo ist eine Sportart, wo innerhalb von zehn Sekunden schon alles vorbei sein kann. Auf den Rücken geworfen – fertig», erzählt Bischof.

Mental topfit und bereit zu sein, das wird am Zuckerhut die größte Herausforderung für Bischofs Erben. Die will sich der Held von einst persönlich angucken. Als Vize-Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) ist der gebürtige Reutlinger in der ersten Hälfte der Spiele in Rio. Am nächsten Dienstag sind die Judokas in der Kategorie bis 81 Kilogramm um den Erfurter Sven Maresch an der Reihe. Bischof lässt es sich «natürlich nicht nehmen, in der Judo-Halle zu sein, um mir in meiner Gewichtsklasse meine Nachfolger anzusehen».

Fotocredits: Marius Becker

(dpa)
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